Heimsheimer Gefangene stellen bei der Kunstnacht aus. Andere Maler protestieren.

Leonberg - „Kunst. Knast. Kontrovers?“ lautet der Titel der Sonderausstellung im Haus der Begegnung, die auch zur Langen Kunstnacht am Samstag geöffnet sein wird. Er scheint eine neue Dimension zu bekommen, denn der Umstand, dass dort die Malgruppe der Justizvollzugsanstalt (JVA) Heimsheim ihre Arbeiten ausstellen kann, führt offensichtlich zu einer Kontroverse. Bei der Ausstellungseröffnung ist erneut die Frage aufgekommen, ob solche Bilder zur Kunstnacht gehören.

 

Die Leonberger Malerin und Kunsttherapeutin Brigitte Guggenbiller sagte, dass der Pfarrer Matthias Krack von der Stadtkirchengemeinde die Künstler bei der Vorbesprechung zur „LaKuNa 2017“ mit der Ankündigung überrascht habe, im Haus der Begegnung Werke von Gefangenen der JVA zu zeigen. „Ich habe damals die Frage gestellt, ob die Leute etwas können oder ob es nur um die Aufwertung vom Selbstwertgefühl geht“, sagte Guggenbiller, die selbst Künstler in der Behinderteneinrichtung Atrio Höfingen betreut. Im dortigen Kreativwerk gebe es teilweise echte Künstler, die versuchten, von ihrer Arbeit zu leben.

Freie Künstler unterbieten sich mit Preisen

Mit Blick auf den Kunstmarkt sagte die Malerin, es gebe viele freie Künstler, die sich mit den Preisen gegenseitig unterbieten. Davon habe sie die Nase voll. „Warum muss Selbstverwirklichung immer mit Kunst geschehen? Das verstehe ich nicht.“

„Kunst ist nicht teilbar und gehört einfach zum Menschen dazu“, entgegnete Robert Krauss, der das Projekt im Haus der Begegnung mit auf den Weg gebracht hat. Christel Luckscheiter-Raub, die einst Kunst studierte und seit über sechs Jahren die Freizeitmaler im Gefängnis ehrenamtlich anleitet, betonte, dass die Knast-Kunst und die dafür möglicherweise erzielten Preise keinerlei Konkurrenz für den Kunstmarkt seien. Eventuelle Erlöse fließen in einen Topf, aus dem dann weiteres Material wie Pinsel, Farben oder Leinwände gekauft werden. „Die Künstler bekommen keinen Cent“, versicherte Christel Luckscheiter-Raub. Im Laufe der Zeit habe sie in der Malgruppe schon echte Talente entdeckt. „Die besten Bilder sind von einem, der schon acht Jahre dabei ist. Der hat sich phänomenal entwickelt.“

Mehrheit war für die Teilnahme der JVA

Die Leonberger Kulturamtsleiterin Christina Ossowski ist erstaunt, dass noch einmal gegen die Ausstellung Position bezogen wird. Im Vorbereitungsgespräch zur „LaKuNa“ habe es von einer kleinen Gruppe Gegenwind gegeben. Die Künstler, die an der „LaKuNa“ teilnehmen möchten, müssten sich bis zum Vorbereitungsgespräch im November beim Organisator melden. Über Mehrheitsentscheide werde festgelegt, wer bei der Veranstaltung ausstellen darf, sagt Ossowski. So habe es auch eine Abstimmung darüber gegeben, ob die Malgruppe der JVA daran teilnehmen darf. Die Mehrheit sei dafür gewesen.

„Der Hausherr des Hauses der Begegnung, Pfarrer Krack, hat dafür gestimmt, diesen Menschen eine Chance zu geben.“ Ossowski betont: „Die Kunstnacht wird nicht von der Stadt organisiert, sie finanziert die Lichtinstallation.“ Das Stadtmarketing, das durch sie vertreten wird, habe bei den Abstimmungen nur eine Stimme.

Kommentar - Kunst heißt: Offen sein

Von Wiebke Kahns.Kunst führt häufig zu Kontroversen, oft ist das sogar das Ziel. Das ist gut so. Künstler zwingen uns mit ihren Arbeiten zum Nachdenken und zum Überdenken eigener Positionen. Sie führen uns weg vom Eingefahrenen. Was die Lange Kunstnacht in Leonberg betrifft, ist es nun nicht die Kunst selbst, die provoziert, sondern es sind die Künstler. Es ist ungewöhnlich, Insassen einer Justizvollzugsanstalt mit einer Ausstellung eine Plattform zu geben – dabei können sich auch unter ihnen Talente befinden. Es wäre in jedem Falle schade, wenn solche künstlerischen Arbeiten hinter Gefängnismauern verschlossen bleiben und die Öffentlichkeit sie nie zu sehen bekommt. Bilder von Heimsheimer JVAlern wurden im Übrigen bereits früher ausgestellt, beispielsweise in der Heimsheimer Stadtbücherei. Es regt auch dazu an, darüber nachzudenken, was eine solche Malgruppe für die Gefangenen bedeutet. Ein Halt, ein Ventil, ein Baustein zur Reintegration womöglich?

Dass in Leonberg eine solche Ausstellung möglich ist und man sie bei der Kunstnacht besuchen kann, spricht für die Stadt und die Menschen, die sich dafür ausgesprochen haben. Kunst muss offen sein, Kunstschaffende ganz besonders.