Der Bürgermeister von Weil der Stadt sagt, warum er im Kreistag nun Parteipolitik machen will.

Weil der Stadt - Seit November 2012 ist Thilo Schreiber Bürgermeister von Weil der Stadt. Davor war er bereits 13 Jahre lang Rathauschef in Loßburg. In all den Jahren saß der heute 53-Jährige als Mitglied der Freien Wähler in den Kreistagen, erst in Freudenstadt, dann in Böblingen. Jetzt aber will er Partei ergreifen.

 

Herr Schreiber, warum wechseln Sie zur CDU?

Schon seit längerer Zeit stelle ich fest, dass in der aktuellen Politik radikalere Tendenzen und Begleiterscheinungen zu verzeichnen sind. Da müssen wir in der Mitte stärker auftreten und Farbe bekennen. Die CDU war bei Wahlen schon immer meine politische Heimat. Jetzt will auch ich mich bekennen und die demokratischen Volksparteien stärken.

Gab es dafür einen aktuellen Anlass?

Nein, vor allem nicht in der Weil der Städter Stadtpolitik. Ich spiele schon seit längerer Zeit mit dem Gedanken. Schon bei der letzten Kreistagswahl 2014 war ich kurz davor, für die CDU zu kandidieren. Aber bei meiner Wahl zum Weil der Städter Bürgermeister zwei Jahre zuvor war ich ja noch als Freier Wähler angetreten, deshalb wollte ich nicht sofort wechseln.

Kandidieren Sie nur auf der CDU-Liste, oder sind Sie in die Partei eingetreten?

Im September bin ich auch offiziell in die CDU eingetreten. Wenn ich es mache, dann mache ich es richtig, das ist mir wichtig.

Schreiber ist eher konservativ

Was sagen Sie dann jetzt zu Ihrer neuen Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer?

So euphorisch ich in den letzten Monaten auch war – so enttäuscht war ich, dass Friedrich Merz nicht gewählt worden ist. Ich war in Böblingen bei der Regionalkonferenz und habe miterlebt, wie der Applaus auf der Seite von Herrn Merz war – und zwar ganz eindeutig.

Es soll ja in der CDU schon wieder Austritte geben…

... nein, soweit sollte man nicht gehen. Auch mit Annegret Kramp-Karrenbauer wird es gut gelingen.

Wie würden Sie sich im Spektrum der CDU – zwischen liberal und konservativ – denn einordnen?

Eher konservativ. Deswegen fand ich auch, dass Friedrich Merz der richtige Mann an der Spitze der CDU gewesen wäre.

Die AfD ist ja gerade in Weil der Stadt ziemlich stark, zum Beispiel bei der Landtagswahl mit fast 16 Prozent. Meinen Sie das mit radikaleren Tendenzen?

Nein, nicht nur. Ich weiß natürlich, dass die AfD bei uns sehr aktiv ist, zuletzt am Samstag vor zwei Wochen im Klösterle. Als Bürgermeister muss ich mich in amtlicher Eigenschaft aber neutral verhalten. Deswegen war ich an jenem Samstagabend auch nicht bei der Gegenkundgebung. Aber mich bewegt das natürlich.

Weiterhin keine Parteipolitik im Weiler Gemeinderat

Eine lange Zeit bei den Freien Wählern geht damit zu Ende. Wie kam das damals?

Am Anfang meiner Zeit als Bürgermeister wollte ich eher neutral und parteilos bleiben. Die meisten Bürgermeister sind daher bei den Freien Wählern, das ist im Kreis Freudenstadt nicht anders als hier. Wichtig ist mir aber zu sagen: Im Weil der Städter Gemeinderat ändert sich gar nichts. Dort haben wir noch nie Parteipolitik gemacht. Ich mag die CDU-Räte nicht mehr als die Freien Wähler oder die von anderen Fraktionen. Aber ich kandidiere ja für den Kreistag – und da kann man schon politischer agieren.

Gab es bei den Freien Wählern schon bedauernde Stimmen? Zum Beispiel von Wolfgang Faißt, dem Landesvorsitzenden der Freien Wähler.

Das weiß ich nicht, da müssen Sie Wolfgang Faißt fragen. Das steht mir nicht zu, dies zu kommentieren.

Befürchten Sie, dass der Wechsel den Bürgern in Weil der Stadt sauer aufstößt?

Ich hoffe, dass meine Arbeit in Weil der Stadt für mich spricht. Mit den Gemeinderäten in Weil der Stadt habe ich darüber gesprochen, auch die Freien Wähler akzeptieren es. Die sehen, dass ich für Weil der Stadt etwas erreiche – und das ist mein Auftrag.

Landespolitik: Freie Wähler haben kaum eine Bedeutung

Hat Ihr Wechsel mit der aktuellen Kreispolitik zu tun? Helmut Noë, der CDU-Fraktionsvorsitzende im Kreistag, tritt ja durchaus forcierter auf als die Freien Wähler. Zum Beispiel, wenn es um die Kreisumlage geht – also die Frage, wie viel Geld die Gemeinden an den Kreis Böblingen abgeben müssen.

Im reichen Kreis Böblingen vergisst man schnell, dass es – wenn auch nur wenige – Städte und Gemeinden gibt, die finanziell angeschlagen sind, zum Beispiel Weil der Stadt. Herr Noë war der einzige Fraktionsvorsitzende, der sich eine noch weitere Senkung der Kreisumlage vorbehalten hat. Dafür bin ich ihm dankbar. Ich sage dem Landrat oft: Wir zahlen unsere Kreisumlage zum Teil mit Schulden, während andere Gemeinden nicht wissen, wohin mit den zig Millionen von Rücklagen.

Stark eingesetzt hat sich die CDU-Fraktion auch bei der Hesse-Bahn.

Gerade bei der Hesse-Bahn merke ich, dass es politischer zugeht, auch mit Auswirkungen auf die Landespolitik. Und da muss ich deutlich sagen: In der Landespolitik haben die Freien Wähler kaum Bedeutung – auch wenn sie das meinen. Ich bin der Meinung, dass die Freien Wähler zur Partei werden und für den Landtag antreten sollten. Das sieht man jetzt in Bayern: Dort sind sie diesen Weg gegangen und regieren jetzt mit.

Wolfgang Faißt, der Landesvorsitzende, war dagegen.

Ja, er hat eine ganz andere Sicht hierzu, wie übrigens die allermeisten Freien Wähler. Von der Kreispolitik an aufwärts ist es aber wichtig, dass man sich politisch positioniert. Das sehe ich bei der Hermann-Hesse-Bahn. Mit welchem Freien Wähler konnte ich darüber in Stuttgart reden? Mit niemandem. Ich musste mit der CDU und den Grünen sprechen.

Wie ist Ihr Verhältnis zu den dortigen Politikern?

Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu unserer CDU-Landtagsabgeordneten Sabine Kurtz. Wir arbeiten sehr eng zusammen. Aber auch mit unserem weiteren direkten Wahlkreisabgeordneten Bernd Murschel lässt es sich gut zusammenarbeiten. Ausgezahlt hat sich das gerade bei dem erhöhten Zuschuss für die Hermann-Hesse-Bahn: Beide Landtagsabgeordnete haben sich mächtig ins Zeug gelegt und das hat geholfen. Aber auch der Landrat hat sich hierfür stark eingesetzt.

Verkehr ist und bleibt ein großes Thema

Gibt’s noch mehr landespolitische Themen, wo Sie Einfluss gewinnen möchten?

Verkehrsthemen betreffen uns als Flächenstadt natürlich besonders. Schauen Sie nur auf den schlechten Zustand der Landesstraßen. Man könnte meinen, L steht da für „liedrig“. Zum Beispiel die Landstraße von Schafhausen nach Magstadt. Seit Jahren ist dieser katastrophale Zustand ein Ärgernis, sie sollte eigentlich schon längst saniert werden. Sie wandert beim zuständigen Regierungspräsidium von einem Programm in das nächste, und nichts passiert.

Oder die Landesstraße zwischen Weil der Stadt und Schafhausen…

… die zuletzt von den unsäglichen Krötentunneln ruiniert worden ist. Sie war im Erhaltungsprogramm drin, und ist jetzt vom Land wieder rausgenommen worden. Da wird die nächsten Jahre auch nichts gemacht. Das ist den Bürgern nicht mehr vermittelbar. Da möchte ich in der Verkehrspolitik Akzente setzen und hoffe, mehr Einfluss nehmen zu können.

Gemeinsamer Wahlkampf?

Planen Sie jetzt Wahlkampf? Zusammen mit Ihren Kollegen Susanne Widmaier und Daniel Töpfer?

Dazu werde ich mich erst mit meinen beiden Mit-Kandidaten unterhalten. Wir sehen uns ja erst am 10. Januar bei der offiziellen Nominierung im Wahlkreis 5 – Weil der Stadt mit Rutesheim und Weissach.

Dann geht es um die Frage, wer wo auf der Liste steht. Das ist bei gleich drei Bürgermeistern natürlich kniffelig.

Ich sag mal so: Egal, auf welchem Platz der Bürgermeister auf dem Stimmzettel steht, er muss gewählt werden – ansonsten hat er ohnehin ein Akzeptanzproblem bei der Bevölkerung. Es gibt aber auch eherne Gesetze: Die Einwohnerzahl der Stadt ist mit maßgebend. Gehen Sie deshalb davon aus, dass der CDU-Stadtverband Weil der Stadt zu Recht erwartet, dass ich auf Listenplatz 1 gesetzt werde.

Eine Bürgermeister-Liste

Das ist eine gewichtige CDU-Liste im Wahlkreis 5, zu dem Weil der Stadt, Rutesheim und Weissach gehören. Denn in allen drei Orten kandidieren die Bürgermeister – und in allen drei Orten wollen sie auf die CDU-Liste.

Von dem Weissacher Rathauschef überrascht das am wenigsten. Daniel Töpfer ist schon lange CDU-Mitglied, war vormals auch schon Kreisvorsitzender der Jungen Union. „Gerne möchte ich die Interessen meiner Gemeinde und des Wahlkreises zukünftig im Kreistag vertreten und trete deshalb zur Kreistagswahl an“, sagt er.

Wenn alle drei Bürgermeister gewählt werden, dann wird Töpfer neben Thilo Schreiber und Susanne Widmaier auf der CDU-Bank sitzen, denn auch die Rutesheimer Bürgermeisterin interessiert sich für einen Platz bei der christlichen Union.

Widmaier tritt nicht in die CDU ein

„Ich habe schon öfters gesagt, dass ich der CDU nahe bin“, sagt sie. „Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass die Bürgermeisterin im Kreistag ist“, erklärt sie unserer Zeitung. Dort bekomme sie einen Informationsvorsprung und könne bei vielen Themen kreisweit kooperieren, etwa wenn es um den Verkehr, die Deponie oder Flüchtlinge geht. Susanne Widmaier will, anders als ihre Kollegen, zwar auf die CDU-Liste, aber nicht in die Partei eintreten. „Ich habe im Wahlkampf versprochen, dass ich unparteiisch bin“, sagt sie. „Da wäre es ohne Feingefühl, wenn ich jetzt in eine Partei eintreten würde.“

Voraussichtlich am 10. Januar treffen sich die CDU-Mitglieder aus den drei Orten, um Bewerber offiziell zu nominieren und die Liste aufzustellen. Die spannende Frage ist dann, welcher der drei Bürgermeister auf welchen Platz kommt. Neben ihnen gibt es indes noch weitere Bewerber: Aus Weil der Stadt sind das Joachim Oehler, Michael Hofbauer und Carola Manzke, aus Rutesheim kandidieren Christina Almert und Alexander Vetter und aus Weissach Martin Jäckle. Bislang hat die CDU mit Almert, Jäckle und Martin Buhl nur drei Kreisräte aus dem Wahlkreis 5.