22 Standorte, mehr Gutachten: Der Kreistag will nach dem Gegenwind aus den Kommunen das Auswahlverfahren ausweiten.

Kreis Böblingen - Es wird zwar nicht alles auf Anfang gesetzt. Doch in Sachen Standortsuche für eine neue Erddeponie hat der Umwelt- und Verkehrsausschuss des Kreistages nach teils heftiger Kritik aus den betroffenen Kommunen am Montag zwei Gänge zurückgeschaltet. Zum einen werden nicht nur die fünf zuletzt diskutierten Standorte, darunter Weissach und Leonberg-Gebersheim, auf ihre Eignung untersucht (wir berichteten). Sondern es wird auf den Stand von Mai 2015 zurückgegangen, der noch 22 Flächen umfasste. Zum anderen soll ein Gutachter beauftragt werden zu untersuchen, welcher Bedarf überhaupt besteht und ob dieser auch durch mehrere kleinere Deponieflächen gedeckt werden kann. Beides soll nun parallel verfolgt und von einer neu geschaffenen Projektgruppe innerhalb des Ausschusses begleitet werden. Mit dieser Projektgruppe soll der Kreistag auf eigenen Wunsch enger in die Suche und vor allem die Bewertung der potenziellen Flächen einbezogen werden.

 

Auf acht Punkte verständigte sich der Ausschuss am Ende der zweistündigen Debatte. „Wir können zurückgehen“, hatte der Landrat Roland Bernhard vor der Sitzung gesagt, „aber bitte nicht auf Los.“ Aber nun stehen wieder mindestens 22 mögliche Plätze für die Deponie zur Auswahl. Und da die Kreisräte auch die Variante von zwei kleinen Halden statt einer großen untersucht haben wollen, sind es tatsächlich noch viel mehr. Ihre Bewertung sollen externe Gutachter vornehmen. Vom Landratsamt wünschen sich die Kreisräte außerdem eine Strategie zur Vermeidung dieser Art von Müll und ein Einwirken auf die Bundespolitik.

„Es gibt viel Unruhe“

Das Landratsamt und der Abfallwirtschaftsbetrieb hatten nach zweijähriger Suche eine Liste mit fünf möglichen Standorten zusammengestellt. In den vergangenen drei Wochen hatten jedoch alle betroffenen Kommunen das Vorhaben auf ihrer Gemarkung abgelehnt. Sindelfingen, Weissach, Rutesheim und Leonberg sowie Ehningen hatten als Gründe unter anderem den verstärkten Lastwagenverkehr angegeben und sich gegen die Rodung von Waldflächen ausgesprochen. „Es gibt sehr viel Unruhe“, griff Roland Bernhard die Problematik in der Sitzung auf und äußerte Verständnis: „Wer will schon vor der Haustüre den Dreck und den Staub?“ Allerdings entstehe eben jener vor der eigenen Haustür angesichts des Baubooms im Kreis Böblingen. Und der werde nicht abreißen. So habe ein Bündnis für bezahlbaren Wohnraum in der Region Stuttgart in der vergangenen Woche dargelegt, dass allein im hiesigen Landkreis 14 000 Wohneinheiten benötigt würden. „Das ist eine Fläche fünf Mal so groß wie das Flugfeld“, sagte Bernhard.

Bislang könnten aber nur 15 bis 20 Prozent des unbelasteten Erdaushubs auf Deponien im Kreis abgelagert werden – der Rest werde außerhalb entsorgt. Ein Zustand, der die hiesige Baubranche 2013 auf die Barrikaden brachte – und den Kreistag im Frühjahr 2014 dazu, die Suche nach einem neuen Deponiestandort zu beauftragen. 2025 soll diese eröffnen.

Dass die Deponie notwendig ist, darüber sind sich die Kreisräte einig, wie Claus Unger betonte. „Aber in welcher Umfang ist die Frage“, sagte der Bürgermeister von Ehningen. Statt nur eine große Halde zu bauen, könnten die Lasten auf zwei kleinere verteilt werden, lautet der Vorschlag seiner CDU-Fraktion – eine für den Nord- und eine für den Südkreis. Dadurch müssten Flächen unter 30 Hektar nicht mehr automatisch von der Auswahlliste gestrichen werden. Egal wo eine solch große Anlage gebaut werde, es werde sich starker Protest formieren, bekräftigte der Sindelfinger Stadtrat Walter Arnold (CDU). „Geteiltes Leid ist halbes Leid“, erhoffte sich der SPD-Kreisrat Peter Pfitzenmaier aus Leonberg von der Verkleinerungsstrategie. Gutachten über die Standorte, die zu erwartende Menge an Erdaushub und Bauschutt sowie den Flächenbedarf wurden ebenfalls über die Fraktionen hinweg gefordert. „Die Bewertung muss auf den Prüfstand“, sagte der Leonberger Dieter Maurmaier (FDP).

Müssen 30 Hektar gerodet werden?

Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit warb Wolfgang Bagin, der Chef des Abfallwirtschaftsbetriebes (AWB), für einen einzigen Standort. Sonst müssten die Erschließungsstraße, die Gebäude und Abwasserleitungen zwei Mal gebaut werden. Die Betriebskosten müssten über die Gebühren abgedeckt werden und marktgängig sein, sonst würden die Bauunternehmer Ausweichmöglichkeiten suchen. Allerdings könne sich der Kreistag dafür entscheiden, die Deponie künftig zu bezuschussen. Statt 30 Hektar auf einmal zu roden, würde die Halde abschnittsweise angelegt, stellte der Landrat noch klar. „Dass man durch die Erhöhung der Standortzahl den Frieden in der Bevölkerung erhöht, ist ein Irrglaube“, sagte Bernhard.

Dass für die Deponie vermutlich viel Wald abgeholzt werden muss, trieb die Kreisräte ebenso um. „Das war früher ein K.o.-Kriterium“, merkte Pfitzenmaier an. Anders sah das Andreas Kindler (CD) aus Renningen. „Endlich muss mal nicht die Landwirtschaft herhalten – w Wir haben schon zu viele gute Böden verloren. Wald dagegen ist ein nachwachsender Rohstoff“, sagte der Chef des Kreisbauernverbandes.