Keine Frage: Der Flüchtlingsstrom prägt die Kreispolitik. Und so findet der Landrat Roland Bernhard in seiner Haushaltsrede erneut deutliche Worte: „Ich wiederhole meinen Hilferuf an die Kommunen, wir nähern uns der Verzweiflung.“

Kreis Böblingen - Keine Frage: Der Flüchtlingsstrom prägt die Kreispolitik. Und so findet der Landrat Roland Bernhard in seiner Haushaltsrede erneut deutliche Worte: „Ich wiederhole meinen Hilferuf an die Kommunen, wir nähern uns der Verzweiflung.“ Bis zum Jahresende müssen 4000 Heimatlose untergebracht werden, 1300 Plätze fehlen noch, obwohl schon vier Kreis-Turnhallen belegt sind. „Auch Zelte kann ich nicht mehr ausschließen“, erklärt Bernhard.

 

Und dennoch gibt es auch positive Meldungen für den neuen Kreisetat im nächsten Jahr. Eine davon werden die Bürgermeister besonders gerne hören: Die Kreisumlage sinkt von 39 auf 37,7 Prozent – sie dürfen mehr von ihren Steuern behalten. Diese ungeliebte Abgabe der Städte und Gemeinden ans Landratsamt ist immer das Hauptstreitthema im Kreistag. Bisher lag sie noch bei 39 Prozent, was der höchste Wert im ganzen Land war. „Wir haben in den vergangenen Jahren etwas mehr auf Sicherheit gesetzt“, räumt der Kreischef ein.

Jetzt sollen die Kommunen ihren Anteil bekommen. So hat der als Landrat nach Waiblingen gewechselte Kreiskämmerer Richard Sigel die „rote Laterne“ mitgenommen, schmunzelt Bernhard – mit dort 39,9 Prozent Umlage.

Das Landratsamt profitiert vom enormen Wirtschaftswachstum. Das lässt sich an der sogenannten Steuerkraftsumme festmachen – also den Steuereinnahmen aller 26 Kommunen. Sie liegt bei 520 Millionen Euro, der zweitbeste Wert nach dem Rekordjahr 2013. Das spült viel Geld in die Kassen – und dämpft die Risiken an anderer Stelle. Allerdings warnt der Landrat vor dem VW-Skandal: „Wir müssen damit rechnen, dass die Steuerkraft von Weissach deutlich nachlässt.“ Eine wichtige „Milchkuh“ würde damit möglicherweise ausfallen.

Das zweite Großthema bleibt die Krankenhauspolitik. Hier ist Roland Bernhard froh, dass die geplanten Kürzungen aus Berlin abgewendet wurden. Dennoch – das Defizit steigt nach den erfreulich niedrigen acht Millionen Euro im vergangenen Jahr wieder auf den alten Wert von 16 Millionen – und selbst das ist ein Kraftakt für die Leitung des Klinikverbundes: „Ich bitte alle Mitarbeiter, dieses ehrgeizige Ziel zu unterstützen.“

Die Grundstücksverhandlungen für die große Flugfeldklinik stehen kurz vor dem Abschluss, ein letztes Treffen mit den Oberbürgermeistern von Sindelfingen und Böblingen soll den Deal endgültig besiegeln. Im November wird dann der Planer für das Großprojekt ausgewählt. Im Kreisetat sind neun Millionen Euro für die Kliniken eingeplant, davon sechs Millionen für die Häuser Leonberg und Herrenberg.

So kann es Bernhard mit diesem Haushalt fast allen recht machen: Er nimmt weniger von den Kommunen, sichert den Betrieb der Kliniken, reduziert den Schuldenberg auf 60 Millionen, und schafft sogar 62 neue Stellen – allein 40 davon für die Flüchtlingsarbeit.

Doch gerade hier zeigt sich, dass hinter dem Zahlenwerk noch ein dickes Fragezeichen steckt. „Wir gehen davon aus, dass der Ministerpräsident Wort hält“, erklärt Roland Bernhard mehrfach. Demnach wäre die Flüchtlingsunterbringung eine staatliche Aufgabe, die komplett und vollständig vom Land getragen würde. Nur wenn dies gilt, geht die Rechnung auf.

Da geraten die verkehrspolitischen Dauerbrenner wie Hessebahn und Schönbuchbahn, die A 81 und der Lückenschluss zwischen B 295 und B 464 fast zu Randnotizen. Sie sind allerdings die Kulisse für das schönste Zitat der gut einstündigen Grundsatzrede des Landrats: „Hier bei uns steppt der Bär, und nicht in der Uckermark.“

Die aus der Uckermark stammende Kanzlerin wird dies am Mittwoch merken – wenn sie in Renningen das neue Bosch-Forschungszentrum eröffnen wird.