In zwei Wohngemeinschaften sollen junge Erwachsene lernen, sich hier zurechtzufinden.

Korntal-Münchingen - Salim Bakko ist aus Aleppo nach Korntal gekommen. Der 21-Jährige ist in einem Alter, in der er zur Armee müsste. „Aber ich will nicht töten“, sagt er. Der 21-Jährige flüchtete über mehrere Länder, zwischen Serbien und Ungarn lag ein zehnstündiger Fußmarsch. Vor 14 Monaten kam er nach Deutschland, zuerst war er in Böblingen, nun lebt er in einer Wohngemeinschaft des Projekts „Saatkorn“.

 

Eine zu einem Verein zusammengeschlossene Privatinitiative hat in Korntal befristet zwei Wohnungen in einem kleinen Mehrparteienhaus gemietet. Acht Flüchtlinge zwischen 18 und 24 Jahren will sie aufnehmen, vielleicht auch zehn. Wer dort leben will, muss sich bewerben. Salim Bakko ist der erste Bewohner. Er ist über den Vereinsvorsitzenden Yassir Eric gekommen. Eric leitet das in Korntal ansässige Europäische Institut für Migration, Integration und Islamthemen. Die Projektleitung hat seine Stellvertreterin Monika Klotz. Die Theologin kam zum Thema über die Deutschkurse für Flüchtlinge, die sie in der Stadt gab. So kam sie in Kontakt mit jungen Menschen, die im Alter von 17 Jahren noch Anspruch auf staatliche Leistungen nach dem Jugendhilfegesetz haben, mit 18 aber grundsätzlich nach dem Asylbewerberleistungsgesetz unterstützt werden.

Das Leben soll gelingen

„Die Integrationsmaßnahmen der Regierung sind gut und richtig“, sagt Yassir Eric, „aber der persönliche Aspekt leidet.“ Die jungen Erwachsenen bräuchten eine zusätzliche Begleitung. Deshalb wollte der Verein ein Konzept finden, in dem die jungen Menschen für maximal zwei Jahre in einem geschützten Raum leben. So will der Verein den Flüchtlingen ermöglichen, „in die Gesellschaft reinzukommen“, sagt Eric. Die Sprache lernen, sich um Praktika und Jobs bemühen, sei das eine, aber sie müssten eben auch lernen, wie die Gesellschaft funktioniert. „Woher sollen sie wissen, was eine Kehrwoche ist? Ohne eine persönliche Begegnung ist das nicht möglich.“ Das Ziel des Vereins definiert Eric in einem Satz: „Wir wollen Migranten helfen, dass ihr Leben gelingt in diesem Land.“

Dominik Platte soll die jungen Flüchtlinge dabei unterstützen. Der Verein hat den Sozialpädagogen fest angestellt. Der selbstständige Grafiker Chris Riekert ist ehrenamtlich dabei, er bereitet die Nudelmanufaktur vor, die nur wenig entfernt von den Wohnungen in der Johannes-Daur-Straße in den Räumen einer einstigen Bäckerei eingerichtet wird. „Wir wollen die Manufaktur mit Arbeitskräften versorgen“, sagt Riekert. Auf diese Weise lernen die Flüchtlinge, sich hierzulande in der Arbeitskultur zurechtzufinden.

Ein Saatkorn wird zum Name des Projekts

Vieles der Ausstattung wurde gespendet, auf Spenden ist der Verein auch weiterhin angewiesen. Mit einem Tag der offenen Tür machte der Verein am Wochenende erstmals öffentlich auf sich aufmerksam. Unter den Besuchern war auch der Ludwigsburger CDU-Bundestagsabgeordnete Steffen Bilger. Ihmzufolge gebe es im Bundestag viele Debatten über die minderjährigen Flüchtlinge und deren Perspektiven. Überlegungen gibt es viele, doch die Gelder auch dafür sind endlich. Doch „ich werde mich erkundigen, ob es staatliche Fördermöglichkeiten für das Projekt Saatkorn gibt“. Die Initiatoren mögen das gern zur Kenntnis nehmen. Sie kannten sich vorher schon, im Gespräch ergab sich eins ums andere, so entstand das Projekt. Die Nähe zum Glauben mag sie geeint haben, für das Projekt spiele er keine Rolle. Die Menschen seien kein Missionsobjekt, sagt Eric. „Ihnen muss geholfen werden, nicht ihre Not ausgenutzt werden.“