Aufgelesen im Kreis: Süßes und Saures. Diese Woche versuchen Sindelfingen und Böblingen die Quadratur des Kreises – zum Beispiel ein schlaues Rathaus. Die Weiler machen es sich derweil gemütlich und sparen auch Energie.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Sindelfingen - Stadtverwaltungen müssen immer wieder das Unmögliche schaffen. „Sindelfingen rockt“ lautete eine dieser Aufgaben. Vom Englischen ins Deutsche übersetzt steht hinter diesem Satz eine kühne Behauptung: Dass Sindelfingen ziemlich cool ist. Aber die Realität sieht natürlich anders aus. Die sommerliche Konzertreihe unter demselben Namen finden einige Anwohner nämlich gar nicht heiß. Sie ist ihnen schlicht zu laut, und deshalb wurde sie in diesem Jahr von Pegelmessungen begleitet. Dabei wurden nicht die Promille-Werte der Konzertbesucher über Blasröhrchen kontrolliert, sondern die Dezibel. Wobei Überschreitungen bei ersteren natürlich zu Überschreitungen bei zweiteren führen können. Das war allerdings nicht das Problem. Das Problem ist, dass heruntergedrehte AC/DC-Klänge am Ende halt ziemlich wenig rocken. Nun wird in der Verwaltung diskutiert, wie Sindelfingen im kommenden Jahr wieder rocken kann – ohne Rockmusik zu spielen.

 

Alles nur eine Frage des Geldes

Das klingt definitiv nach der Quadratur des Kreises. Aber – wie gesagt – Stadtverwaltungen schaffen das Unmögliche. Böblingen ist beispielsweise jetzt Modellkommune beim Projekt SmartRathaus geworden, als eine von fünf Städten aus 50 Bewerbern. Dabei klingt die Kombination der begriffe smart und Rathaus so schräg wie Sindelfingen rockt. Bei genauer Betrachtung ist alles mal wieder nur eine Frage des Geldes: Böblingen lässt sich den Titel im Prinzip 13 Millionen Euro kosten. Denn mit so viel Geld schlägt die Sanierung des Gebäudes zu Buche. Schlau muss die Verwaltung für die Auszeichnung nämlich nur insofern sein, als dass sie sich an Kommunen richtet, „die das Ziel haben, innovative Wege im Klimaschutz, genauer im effizienten Energieverbrauch von Gebäuden, zu beschreiten und mitzugestalten“, heißt es in der Mitteilung der Stadt.

Falls nun jemand an der (um im Sindelfinger Slang zu bleiben) Credibility des SmartRathauses zweifelt: Das Projekt wird nicht von der Bauindustrie betrieben, sondern von der Deutschen Umwelthilfe. Und „maßgeblich für die Auswahl Böblingens waren das bisherige städtische Engagement im Bereich Energiemanagement und das schlüssige Konzept für die Bewerbung“, teilt die Verwaltung mit – also kluge Köpfe und nicht nur Dämmwolle. Möglicherweise wird es im Alten und im Neuen Rathaus nun ungemütlich: Als Modellkommune muss Böblingen Einsparmöglichkeiten in den Bereichen Wärmeversorgung, Lüftung, Klimatisierung, Beleuchtung und Nutzungsmanagement identifizieren. Einen Preis als SmarteBelegschaft werden die Ratshausmitarbeiter eher nicht erhalten, wenn sie einfach ihren Schreibtischen fern bleiben. Das würde die Kohlendioxidproduktion prompt auf Null fahren. Wahrscheinlicher ist, dass sie diesen Winter frieren und im Dunkeln sitzen müssen. Das unglaubliche Siegel „Schlaues Rathaus“ lassen sich Oberbürgermeister einiges kosten.

Smarte Einwohner fordern zusätzliche Bänke

Weil der Stadt ist offensichtlich weit weniger ambitioniert als Sindelfingen und Böblingen: die Gemeinde hat eine praktisch wertlose Bankkarte entwickelt. Damit können sich Senioren zwar gezielt ausruhen. Sie hat jedoch keinen bundesweiten Modellcharakter: Hinter dem Begriff steckt kein Konzept gegen Altersarmut, dabei handelt es sich vielmehr um eine Kartierung aller öffentlicher Sitzgelegenheiten. Initiiert wurde sie durch Beschwerden, dass es in Weil der Stadt an manchen Stellen zu ungemütlich ist. Im Zuge der Aktion wurde die Zahl der Bänke nun auf 100 Stück erhöht. Für diese Initiative sollte das Förderprojekt SmarteEinwohner ausgerufen werden, schließlich führt das Sitzen ebenfalls zu einer Art von Energieeinsparung.