Sie macht als Kantorin an der Petrusgemeinde mehr, als Orgel zu spielen. Beate Zimmermann gibt nicht nur bei Konzerten Anstöße zum Nachdenken.

Gerlingen - Sie steht normalerweise nicht auf einem gelben Stuhl zum Dirigieren – das war die Idee des Fotografen, der sie bereitwillig zugestimmt hat. Obwohl sie um ihre Person nie Aufhebens macht. Die Stücke, die sie mit ihren Chören aufführt, sind ihr wichtiger. Die Kantorin Beate Zimmermann will mit Chorgesang und ihrer Musik nicht nur unterhalten, sondern eine Botschaft an den Mann und die Frau bringen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Gospelsong über Maria – die an Weihnachten ja durchaus eine Rolle spielt. Zimmermanns jugendliche Sängerinnen und Sänger wissen sehr gut, was der Text bedeutet – nicht erst seit der Diskussion vor dem Singen. Auch der Gospelgottesdienst in der Petruskirche am zweiten Weihnachtsfeiertag um 11 Uhr wird gut vorbereitet.

 

Man hört sie schon am Eingang des Gemeindehauses. Hohe Stimmen und tiefe. „Eins – zwei – drei – und!“ Einsatz. Die Arme schwingen nach unten, zwei Dutzend junge Leute stimmen ein. „Sing Noël“ – immer wieder. Der Song besteht nur aus diesen beiden Worten, in vielen Variationen. „Die Jungs singen bitte eine Oktave höher – wer kann!“ Nochmals. Klingt schon anders. „Jetzt wird gesteigert!“ Das Lied ist doppelt so laut, wirkt aber nicht gebrüllt. Beate Zimmermann lächelt, lässt das Ganze zwei-, dreimal wiederholen. „Speichert die Wiederholungen bitte ab!“ Noch etwas, was sich die singenden jungen Leute merken müssen, 14 bis 22 Jahre sind sie alt. Das afrikanische Weihnachtslied hat alle angesprochen. Und das Lied über Maria, „Mary did you know“ aus dem großen Jesus-Film „Die Passion“, das singen alle aus Überzeugung. „Sie setzen sich auch mit dem Text auseinander“, betont die Dirigentin, „das ganze Lied ist eine einzige Predigt.“ Ihre ungeheure Fröhlichkeit springt über.

Endlosschleife, bis alle mitsingen

Nach anderthalb Stunden endet die Probe – heute hängen sie 20 Minuten dran. „Wir nehmen die letzten vier Takte und singen die in einer Endlosschleife, bis alle mitsingen!“ Nochmals, dann war’s das für diesen Abend. Jetzt wird aufgeräumt und herumgealbert. Elisa, 14, ist eine der „alten“ Mitsängerinnen. „Ich bin seit zehn Jahren dabei“, berichtet sie voller Begeisterung. Adrian, 15, ist erst zum dritten Mal bei einer Probe, singt aber schon sehr geübt mit. Auch Lars, 22, macht das Singen und die Gemeinschaft einfach Spaß. „Während der Schule hatte ich nie Zeit dafür.“

Für Beate Zimmermann, die Kirchenmusikerin, ist die konzentrierte Vorbereitung jedes Einsatzes sehr spannend – nicht nur jetzt für Weihnachten mit Krippenspiel, Christvesper und Gospelgottesdienst. Seit mehr als 20 Jahren ist sie in der Petrusgemeinde für die Musik verantwortlich. Immer wieder führt sie große Werke auf mit ihren Chören – ob klassisch mit Bach, ob mit dem Oratorium ihres Professors Hans Georg Bertram 2013 oder kirchenmusikalisch-populär mit Musicals, die sich, wie „Zachäus“, an Bibelstoffen orientieren. Kirchenmusik zu machen sei für sie „von vorneherein eine bewusste Entscheidung“ gewesen, sagt Beate Zimmermann.

„Elias“ ist das nächste große Projekt

Ein nächstes Projekt steht schon fest: „Elias“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Das ist ein Oratorium („fast schon eine Oper“, sagt Beate Zimmermann), zum Lutherjahr über den Propheten Elias. Die Aufführung ist am 29. Oktober 2017; erste Eindrücke des Stückes, aufgeführt vom katholischen und evangelischen Kirchenchor und dem Gerlinger Kammerorchester, gibt es am 15. Januar in der Stadthalle beim Neujahrsempfang der Stadt. „Das ist unsere erste Kostprobe vor der weltlichen Öffentlichkeit“, sagt die 57-Jährige, „eine Auseinandersetzung mit dem Gottesbild im öffentlichen Raum, eine sehr dramatische alttestamentliche Geschichte.“ Wenn man sich darauf einlasse, sich mit Elias zu befassen, „dann merkt man, wie aktuell das ist“. Es gehe um Erfahrungen mit Gott, um Krisen und das bedrohte Leben, um das Bild von Gott, das sich im Lauf des Lebens ändere. Im Frühjahr 2015 begannen die Proben der Kirchenchöre für dieses große Werk. „Netzwerke finde ich schön“, sagt Zimmermann und freut sich, dass auch ihre Kolleginnen so denken.

Trotz großer Konzerte möchte sie das „Normalprogramm“ an Sonntagen, an Festen wie Ostern oder Weihnachten nicht vernachlässigen. Denn sie sei „eigentlich gar keine Konzertmusikerin – das Wesentliche ist mir der Gottesdienst“. Also die Abstimmung von Vorspiel, Texten, Predigt und Liedern. „Meine Pfarrer sind super, kooperativ und flexibel.“ Redet man mit den Theologen über ihre Kantorin, dann sagen die übrigens fast genau dasselbe.