Der zwölfjährige Max Ziharev gewinnt bei der Weltmeisterschaft in Griechenland die Silbermedaille in seiner Altersklasse.

Leonberg - Ich hätte ihm keine Verschnaufpause gönnen dürfen“, sagt Max Ziharev rückblickend auf ein großes sportliches Ereignis. Der Zwölfjährige besucht die siebte Klasse der Leonberger Ostertagrealschule. Seine Lieblingsfächer sind Mathe und Sport. Sehr passend, wenn man bedenkt, dass beim Kickboxen die Punkte zählen. Und von denen musste er kürzlich bei der Weltmeisterschaft in Griechenland einige zusammenrechnen.

 

Denn das Nachwuchstalent hat sich bei diesen Titelkämpfen im wahrsten Sinne des Wortes durchgeboxt und stand schließlich im Finale dem amtierenden Weltmeister aus England, Jack Richardson, gegenüber. „Das war mein härtester Kampf bisher“, sagt Max Ziharev, „er hat mich mit der Ferse am Kopf getroffen und dann habe ich schon gespürt, wie es in meiner Nase knackt.“ Kurzes Innehalten, dann Entwarnung. Trainer und Sanitäter stellten fest: Die Nase war weder geprellt noch gebrochen. Der Kampf ging in die nächste Runde.

Plötzlich war die Konzentration weg

Doch der Warmbronner, der zu diesem Zeitpunkt führte, schenkte seinem Gegner durch diese kleine Pause wertvolle Sekunden. „Er hatte keine Kondition mehr, aber durch die Pause konnte er wieder neue Kraft sammeln“, erzählt er, „und bei mir war die Konzentration weg.“ Diese Schwächephase nutzte der Engländer aus und gewann letztlich mit einem Punkt Vorsprung gegen Max Ziharev den Weltmeistertitel im Kickboxen der 11- bis 13-Jährigen. Im ersten Moment war der Warmbronner natürlich enttäuscht über diese knappe Niederlage, freute sich dann aber über die Silbermedaille.

Diesen verlorenen Kampf will der ehrgeizige Zwölfjährige nicht auf sich sitzen lassen. Er wünscht sich eine Revanche. Und die wird er höchstwahrscheinlich im nächsten Jahr bei der Weltmeisterschaft 2019 auch bekommen. Dann darf er für Deutschland antreten. So, wie er es dieses Jahr eigentlich auch vorhatte, wenn da nicht die Probleme bei der Anmeldung gewesen wären. Eine Woche vor dem Abflug nach Griechenland bekam seine Mutter die Nachricht, dass Max nicht für Deutschland boxen darf.

Aber er hat Glück. Weil er zwei Staatsbürgerschaften – die deutsche und die russische – besitzt, durfte er doch teilnehmen. Zwar nicht für Deutschland, dafür aber für Russland. „Es gab mehrere solche Fälle“, erzählt seine Mutter, „ein Mädchen wollte unbedingt für Deutschland kämpfen und ist dann, weil es nicht möglich war, gar nicht angetreten.“ Aber bei der kommenden Weltmeisterschaft in Bregenz ist Max Ziharev ein Teil des deutschen Nationalteams. Der Bundestrainer hat ihn nach seinem Finalkampf persönlich eingeladen.

Wer sein Können zum Angriff nutzt, fliegt raus

Vor sechs Jahren hat der Zwölfjährige mit dem Kickboxen begonnen. Seine Eltern waren es, die ihn bei der Kampfsportakademie in Stuttgart Vaihingen angemeldet haben. „Die Kinder lernen dort, sich selbst und andere zu verteidigen“, erzählt seine Mutter. Dabei gilt die eiserne Regel: Wer sein Können auf der Straße statt in der Halle, und das nicht zur Verteidigung, sondern zum Angriff nutzt, fliegt raus. Ein Kodex, an den sich Max Ziharev hält. Auch dann, wenn er um Hilfe gebeten wird. „Ein Freund aus der fünften Klasse hatte Ärger mit anderen Klassenkameraden und hat dann mich gefragt, ob ich ihn beschützen kann“, erzählt der Siebtklässler, „dann habe ich ihn nach Hause begleitet“. Passiert sei zum Glück nichts, und im Falle einer angespannten Situation weiß der Vize-Weltmeister, was zu tun ist. „Erst muss man mit dem anderen sprechen, sagen, dass man keinen Streit haben möchte und wenn er einen dann schlägt, muss man sich selbst verteidigen“, erklärt der Warmbronner.

Neben dem Respekt vor anderen spielt beim Kickboxen auch Disziplin eine wichtige Rolle. Die Selbstbeherrschung fällt Max allerdings nicht immer leicht. Er isst nämlich für sein Leben gerne Süßigkeiten. „Vor der Weltmeisterschaft habe ich weniger Süßes gegessen, um mein Gewicht zu halten“, sagt er. Wie viel er auf die Waage bringt, ist für seine Kämpfe entscheidend. Denn früher wurde beim Kickboxen auch die Größe der Kämpfer beachtet, heute zählen nur noch Alter und Gewicht. Daher ist es durchaus möglich, dass sein Gegner zwei Köpfe größer ist als er.

Regelmäßiges Training ist wichtig

Umso wichtiger ist regelmäßiges Training. Vor der Weltmeisterschaft stand Max Ziharev jeden Tag auf der Matte und im Ring. „Darunter hat die Schule schon etwas gelitten“, sagt seine Mutter. „Aber jetzt nicht mehr“, kontert der Sohn sofort. Schließlich sind ihm gute Noten wichtig, denn ob er später einmal Profi-Kickboxer werden will, weiß er noch nicht. „Polizist ist mein Traumberuf“, sagt er bestimmt. Am besten gefällt ihm daran übrigens das Fahren im Polizeiauto – wenn das Blaulicht an ist. Die Beamtenlaufbahn würde seiner Mutter entgegengekommen

Angst um ihren Sohn hat sie während den Kämpfen keine. „Solche Gedanken lasse ich gar nicht zu“, sagt sie, „ich vertraue dem Trainer voll und ganz, und wenn es nicht mehr geht, wirf er das Handtuch und beendet den Kampf“. Bei der Weltmeisterschaft nächstes Jahr wird es aber nicht so weit kommen, da ist sich Max Ziharev sicher. „Ich kann ihn schlagen“, sagt der Realschüler siegessicher.