Der historische Amtssitz des Schultheißen war 1837 dem großen Dorfbrand zum Opfer gefallen.

Rutesheim - Es ist mit gerade mal 179 Jahren wohl das jüngste alte Rathaus in der Gegend – der ehemalige Amtssitz des Rutesheimer Bürgermeisters. Heute schließt das Haus den neu geschaffenen Marktplatz an der Nordseite ab. Zumindest steht der Bau auf historischem Grund, denn das Rathaus der Gemeinde stand immer an dieser Stelle an der Ecke der Kirchstraße mit der Flachter Straße. Erstmals erwähnt wurde es in Zusammenhang mit den Unruhen des Armen Konrads im Jahr 1514.

 

Doch wieso hat Rutesheim, das seit 2008 Stadt ist, ein so junges Rathaus, so gerade und breite Straßen im alten Ortskern und fast keine für die Gegend typischen alten Fachwerkhäuser? Schuld daran ist der große Ortsbrand am 30. Juni 1837. Der hatte innerhalb weniger Stunden rund 200 Gebäude zerstört, sodass rund die Hälfte der damaligen 1065 Einwohner des Dorfes (121 Familien) obdachlos wurden.

Die Feuerwehr zieht ein

Auch das Rathaus fiel den Flammen zum Opfer und brannte vollständig ab. 1838 wurde ein neues errichtet, das allerdings nur im ersten Stock ausgebaut wurde. Charakteristisch für das Erscheinungsbild sind drei hohe mit Sandstein eingefasste Bögen im Erdgeschoss. Rechts und links von der runden Rathaustreppe waren zwei große hölzerne Tore, die sich weit öffnen ließen. Dahinter befand sich die Mosterei.

Die am 27. Dezember 1879 gegründete freiwillige Feuerwehr funktionierte das Erdgeschoss zum Spritzenlokal um. Nach dem Zweiten Weltkrieg war dieses zu klein für die neuen Fahrzeuge und so zog die Wehr 1954 ins neue Feuerwehrgerätehaus in der Schillerstraße um.

Doch auch für die Verwaltung des rasant gewachsenen Ortes wurde es im Rathaus zu eng. In den Jahren 1953/54 wurde es nach Plänen der Leonberger Architekten Wilhelm und Rolf Dongus umgestaltet und erweitert. Das Erdgeschoss wurde für die Gemeindekasse, das Bauamt und den Polizeiposten (es gab sogar eine Arrestzelle) ausgebaut. Selbst der Dachstuhl wurde abgenommen und die Vorderseite des Gebäudes erhöht. Am Haupteingang wurde das Ortswappen mit dem Rutenbündel angebracht, das der Bildhauer Albert Volz (1920-1994) aus Altbulach geschaffen hat. Er hat auch die Figur der „Gänseliesl“ auf dem Brunnen bei der Kirche gestaltet.

Doch bald war das Rathaus wieder zu klein und so entschied sich im Mai 1970 der Gemeinderat dafür, ein neues bauen zu lassen. Der Neubau in der Leonberger Straße wurde im Juni 1977 eingeweiht. Im Jahr 1978 zog die Bücherei von der Schillerstraße in das erste Stockwerk des alten Rathauses um und residierte hier bis zum Umzug 2011 in die neue Christian-Wagner-Bücherei in der Pforzheimer Straße.

Ein interessanter Brunnen gehört dazu

Auch der 1978 gegründete Altentreff hatte bis 1994 sein Domizil im Erdgeschoss. 1984 wurde die Fassade renoviert. Die ursprünglichen Bögen wurden wieder hergestellt. Den ehemaligen Balkon deuten Blumenkästen an. Derzeit nutzen verschiedene Vereine und Gruppen den großen Raum im Erdgeschoss für Veranstaltungen. Im zweiten Obergeschoss arbeitet der Arbeitskreis Sprachförderung und Hausaufgabenhilfe. Der neueste Nutzer ist die private Musikschule „Musik erleben“.

Zum Rathaus gehört heute auch der Brunnen mit Figur „Der Knabe mit der Rute“. Der frühere Marktbrunnen befand sich ursprünglich südlich der Kirchstraße. Er wurde 1960 abgebrochen und direkt vor dem Rathaus wieder aufgebaut. Die 1938 von Fritz von Graevenitz gestaltete Figur „Der Knabe mit der Rute“, die schon den alten Brunnen zierte, wurde übernommen. Der Rutesheimer Alfred Eisenhardt stand seinerzeit Modell für die Brunnenfiguren und nicht wie oft behauptet wurde, Graevenitz’ Neffe, der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Als wichtiges Zeugnis der deutschen Bildhauerkunst vor dem Zweiten Weltkrieg, wurde die Brunnenfigur in die Liste der schützenswerten Kulturdenkmäler aufgenommen.