Der Künstler Dieter Groß gestaltet vier Tafeln für einen neuen Altar in der Stadtkirche.

Weil der Stadt - Das Scharnier wackelt noch, aber zum Glück ist Thomas Buhl da. Der Schreiner klopft gekonnt, dann sitzt alles und wackelt nicht mehr. „Das sieht ja perfekt aus“, staunt Dieter Groß. „Ich hab schon befürchtet, wir müssen nächtelang hier rumdoktern.“

 

Der Stuttgarter Künstler, Karikaturist und Kunstprofessor steht in der Stadtkirche St. Peter und Paul. Ebenso, wie Stadtpfarrer Anton Gruber und der Kunsthistoriker Heribert Sautter, sieht er die Komposition zum ersten Mal installiert. Das ist schließlich auch nicht alltäglich, was die vier Herren hier ausprobieren. Fünf mittelalterliche Figuren, die 500 Jahre alt sind, zusammen mit eben fertig gestellten Acrylgemälden des Zeitgenossen Dieter Groß.

Figuren sind zu schade fürs Depot

„Wir wollten die drei Könige neu präsentieren“, erklärt Heribert Sautter. Als er vor 20 Jahren über den Sippenaltar in der Weiler Spitalkapelle promoviert hatte, fand er die Figuren, die kunsthistorisch viel zu schade sind, um sie weiterhin im Depot zu verstecken. Und weil er eben Kunsthistoriker – Fachgebiet Mittelalter – ist, war klar, dass für diese Neupräsentation nicht einfach nur Vitrinen angeschafft werden.

Vor 500 Jahren standen die Figuren wahrscheinlich in einem Schrein – das ist der Aufbau eines Altars. „So, wie es sich jetzt darstellt, könnte es ausgesehen haben“, erklärt Sautter. In Pfarrer Gruber fand Sautter schnell einen begeisterten Mitstreiter. Zusammen wandten sie sich an Dieter Groß, einen Freund Grubers, der Weil der Stadt auch verbunden ist, weil er an Gründonnerstag während der Betstunde in der Pfarrkirche ein Schweißtuch der Veronika malt.

Zu dritt setzten sie sich an einen Tisch. „Wir sind vorgegangen wie im Mittelalter“, berichtet Heribert Sautter. Und das heißt: der Künstler legt nicht einfach nur drauf los, sondern bekommt vom Auftraggeber Vorgaben. „Wir wollten darstellen, welche Botschaft von diesen drei Königen heute ausgeht“, sagt Anton Gruber.

Altarkunst mit immer schon zeitgenössische Motive auf

Das Thema Flüchtlinge lag da auf der Hand. „Schließlich waren Maria und Josef nichts anderes als Flüchtlinge“, erklärt der katholische Pfarrer. Darum herum gruppieren sich wimmelbildartig weitere Motive. Dass die Karikatur die eigentliche Leidenschaft des Künstlers Groß ist, merkt man auch auf diesen vier Tafeln. Da tauchen dann die Sternsinger auf, Kepler, Donald Trump und die Fasnet – und auch der eine oder andere Weil der Städter. „Dass zeitgenössische Motive in die Altarkunst aufgenommen werden, war auch im Mittelalter schon so“, sagt Sautter.

In der Fastenzeit sind die Altarflügel geschlossen. Das war früher so, das wird auch bei diesem Schrein so sein. Daher ist auf den Außenflügeln Jesus leidender Christus zu sehen. „Auf der anderen Seite steht die Frage, wo Menschen heute ihr Heil finden“, ergänzt Gruber. Das spiegelt sich in der linken Altarhälfte, wo Menschen mit Virtual-Reality-Brillen, in alle Richtungen streben.

Nachgefragt bei Dieter Groß

Dieter Groß und Thomas Buhl montieren den Altar. Foto: factum/Bach
Dieter Groß kommt aus Stuttgart, wo er 1937 geboren wurde. 30 Jahre lang war er Professor für Allgemeine künstlerische Ausbildung an der dortigen Kunstakademie. In rund 200 Einzelausstellungen hat er in ganz Europa sein Werk präsentiert.
Herr Groß, haben Sie schon einmal einen Altar einer Kirche gestaltet?
Nein bisher noch nicht, dazu musste ich offenbar 80 Jahre alt werden (schmunzelt). Ich habe aber eine ganze Reihe von Kreuzwegen gemalt, denn die Passion interessiert mich.
Was ist das besondere an kirchlicher Kunst?
Das ist immer ein Bekenntnis, eine Predigt, die da in der Kunst stattfindet. Mein eigener Glaube und mein Bekenntnis als Christ zeigt sich in diesen Kunstwerken.
Pfarrer Gruber und der Kunsthistoriker Sautter haben Ihnen Vorgaben gemacht. War da nicht Ihre künstlerische Freiheit bedroht?
Nein, mir war klar, dass das ein Weg, ein Prozess im Miteinander wird. Den Flügeln, wie sie sich jetzt zeigen, sind viele Versionen vorausgegangen. Zum Beispiel die Flüchtlinge: In einer ersten Version sind sie vom Betrachter weggelaufen. Jetzt kommen sie auf den Betrachter zu – sie kommen also zu uns.
Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?
Ich bin von Haus aus Karikaturist und Illustrator, das sieht man natürlich auch auf diesen Tafeln. Mir ist wichtig, dass der Betrachter einen Einstieg in die Bilder findet und in sie rein findet. Deshalb male ich keine abstrakte Kunst, sondern Motive, die der Betrachter lesen kann.
Wie lange haben Sie für den Weil der Städter Schrein gebraucht?
Seit Oktober habe ich täglich daran gemalt, bis ich an Silvester um 16 Uhr fertig war. Das war eine sehr schöne Herausforderung.