Julia Deichl aus Leonberg kümmert sich in Nepal um Waisenkinder und berichtet von dem Land im Wandel. Seit Oktober 2015 arbeitet sie als Praktikantin im „Haus der Hoffnung“.

Kathmandu - Eine warme Dusche, das Handy aufladen wann man möchte oder sein Auto einfach tanken, wenn das Benzin leer ist – Dinge, die für uns Deutsche selbstverständlich sind. In der nepalesischen Landeshauptstadt Kathmandu sieht das allerdings momentan ganz anders aus.

 

Mir ist natürlich bewusst, dass ich mich hier in einem Entwicklungsland befinde, in dem es gang und gäbe ist, dass der Strom öfter ausfällt oder es auch mal an Wasser fehlt. Doch durch die aktuelle Krise zwischen Indien und Nepal verschärft sich die Situation immer mehr. Mit dem vergangenen Erdbeben hat diese Krise nichts zu tun. Erst, seitdem Nepal nun endlich eine eigene Verfassung hat und ein unabhängiges Land ist, versucht Indien zu beweisen, dass Nepal sehr wohl abhängig ist, indem es mehrere Grenzen schließt und einige Waren und Rohstoffe nicht mehr liefert.

Auswirkungen des Erdbebens sind deutlich zu spüren

Die Auswirkungen davon bekommen die Nepalesen, aber auch meine Mitpraktikanten im „Haus der Hoffnung“, einem Waisenhaus, und ich hautnah zu spüren. Schon morgens beim täglichen Reisgericht „Dal Bhat“ geht es los. Das war’s nämlich erst einmal mit dem Gasherd – mit Holz und Streichhölzern wird nun draußen ein Feuer entfacht und darüber gekocht.

Für einen deutschen Durchschnittsbürger heutzutage schon fast steinzeitähnliche Bilder, doch wir mussten uns alle eingestehen, dass wir, im Gegensatz zu den geschickten Nepalesen, ohne Gas und Benzin zunächst ziemlich dumm aus der Wäsche schauen würden. Weiter geht es mit einer einfachen Dusche. Eine kalte, erfrischende Dusche kann im Hochsommer zwar ganz nett sein, weniger allerdings im Winter in einem ungeheizten Haus. So ist der Satz „Bathing was sooo cold today!“ („Das Duschen war heute sooo kalt!“) von unseren Kindern aus dem Waisenhaus zum Standard geworden. In Form von kilometerlangen Schlangen mit Gasbehältern wird die Krise auch außer Haus deutlich sichtbar, genauso in so gut wie in allen Restaurants, die momentan nur Bruchteile ihrer Menükarten anbieten können.

Mit dem Erdbeben im April hat diese Krise zwar nichts zu tun, doch durch die Nachwirkungen und den Wiederaufbau ist das Land durch den jetzt dazukommenden Exportstopp und dessen Auswirkungen doppelt gebeutelt.

Kreativität von den Nepalesen lernen

Wir Praktikanten jedoch lassen uns unseren Aufenthalt in diesem wundervollen Land durch die aktuelle Situation auf keinen Fall verderben. Im Gegenteil, wir lernen dadurch die Kreativität und Geschicklichkeit der Nepalesen kennen und erleben einen geschichtlichen Abschnitt der Unabhängigkeit Nepals mit. Wie sagt man so schön: „Not macht erfinderisch.“ Und mit diesem Sprichwort liegt man hier momentan goldrichtig. Wir genießen unsere Zeit, doch wir wünschen uns und vor allem den Nepalesen, dass diese Krise so schnell wie möglich ein Ende nimmt, damit das Land sich bald wieder um andere Probleme kümmern kann, wie zum Beispiel die schwerwiegenden Schäden, die das Erdbeben angerichtet hat.