Am Donnerstag, 29. November, vor 400 Jahren entdeckt Kepler das Unglück – ein Komet, der vom Dreißigjährigen Krieg kündet.

Linz - Der Donnerstag ist trüb und regnerisch. Johannes Kepler steht an diesem 29. November 1618, vor 400 Jahren, früh auf. Seit Monaten schon hatte er die Spur zweier kleinerer Kometen im All beobachtet – nur die Vorhut des Ereignisses am 29. November.

 

Um halb sieben morgens klart das trübe kurz Wetter in Linz, wo er als Mathematiker arbeitet, auf. Eigentlich will Kepler den Schweif der kleineren Erscheinungen nochmals studieren, aber was er dann entdeckt, haut ihn um: ein „gelber/ etwas rötlicher Komet“, notiert er staunend, von wahrlich besonderer Strahlkraft, ein Cometa clarissimus. Mit bloßem Auge ist er damals, Ende 1618, zu erkennen und bleibt noch bis ins neue Jahr hinein am Himmel.

Im ganzen Heiligen Römischen Reich machen sich die Astronomen, Chronisten und Autobiografen ans Werk, notieren den Winterkometen – und interpretieren ihn. „Ein schrecklicher Compet ist am Himmel erschienen, der etliche Monath und gar bis in das folgende Jahr gesehen war“, schrieb zum Beispiel Volkmar Happe, gräflicher Hofrat in Schwarzburg-Sondershausen (heute in Thüringen).

„In aller Welt Krieg, Aufruhr, Blutvergießen“

Ein schrecklicher Komet , dem eine schreckliche Zeit folgt – der Dreißigjährige Krieg. Was das mit dem Kometen zu hat? Volkmar Happe jedenfalls ist überzeugt: Auf den schrecklichen Kometen folgt „darauf in aller Welt Krieg, Aufruhr, Blutvergießen, Pestilentz und unaussprechlich Unglück“.

Ein Komet als Auslöser der Dreißigjährigen Kriegs? „Das ist bemerkenswert, denn gelernt haben wir ja etwas anderes“, sagt Andreas Bähr. Der Historiker an der Freien Universität Berlin hat in seinem Buch die Reaktionen rund um den Winterkometen zusammengetragen. Kaum ein Geschichtsbuch zwar, das nicht den Prager Fenstersturz am 23. Mai 1618 als Beginn des Krieges darstellt. „Darauf haben sich aber erst die Historiker geeinigt“, erklärt Bähr. Die Zeitgenossen damals brauchten eine Erklärung für all die beginnenden, verstreuten Scharmützel, Kämpfe und Rangeleien. „Sie brauchten ein Kriterium außerhalb der politischen und militärischen Aktionen“, erklärt der Historiker. „Und das fanden sie am Himmel.“ In dem Kometen, den Johannes Kepler als Erster erblickt hatte. Schließlich, so wusste es schon der spätantike Dichter Claudian im 1. Jahrhundert, „wurde noch nie ein Komet am Himmel ungestraft erblickt“.

Mit seiner Schrift De cometis veröffentlicht Kepler 1619 die bekannteste Schrift über dieses Himmelsereignis. Zwar ist er ein nüchterner Astronom, aber auch protestantischer Theologe, und als solcher lebte man damals in der nahenden Endzeit. Eine furchterregende Zukunft stand bevor. Zudem gehörte zum Berufsbild des Astronomen damals auch die Sterndeutung. „Daher schließt selbst Kepler aus der Bahn des Schweifsterns auf den Fortgang der Geschichte, auf Pest, Hunger und kriegerische Gewalt“, hat Bähr herausgefunden.

Bestimmen Sterne das menschliche Schicksal?

Auch wenn der Weil der Städter durchaus Skepsis anmeldet. Zukunftsvorhersage dürfe keine Unausweichlichkeit suggerieren, die Sterne beeinflussen das menschliche Schicksal nur, sie bestimmen es nicht. Wer das wisse, dem eröffne sich Mikro- und Makrokosmos als umfassende Einheit, in der Gott wirke, indem er Zeichen sende.

Zum Beispiel den Winterkometen. Kepler wies darauf hin, dass man das nicht falsch verstehen dürfe. Einen Krieg beginne nicht die Natur, sondern der Mensch. Von Schuld spreche der Komet niemanden frei. Der Mensch sei es, der „die verborgenen himmlischen Erfrischungen und Antriebe ihrer Natur zu seinem bösen Vorhaben missbraucht“, schrieb er. Dann war die Welt ratlos. Im März 1619 stirbt der deutsche Kaiser Matthias, und dass der Komet diesen „tödlichen Abgang“ bedeutete, hielt auch Kepler für erwiesen. Daher sah der Astronom auch für das Reich eine Zuspitzung der Unruhen voraus. Machthaber wie der Wallenstein hätten von dem Weil der Städter Astronomen gern gewusst, wer die kommenden Schlachten gewinnen würde.

Kepler lehnte eine solche Prophetie aber ab, auch in dem Bewusstsein, dass ihm eine solche brisante politische Rolle nicht zustand. Eine Mahnung und Bitte schienen ihm eher angebracht. Der Komet am Himmel, schrieb er, hatte den Krieg gebracht, weil die Lage der Zeit so desolat war, weil viele gottlose Dinge taten. „Der Komet brachte Krieg, weil der schon geführt wurde: weil die Religion vergaß, wer meinte, mit ihr Krieg führen zu können“, erklärt Andreas Bähr. „Krieg als Strafe für Krieg also, und das hieß auch: seine Akteure dazu zu bewegen, ihn zu beenden.“

Johannes Kepler forderte also die Herrscher auf, den Krieg abzuwenden und sich zwischen den Religionen und Konfessionen zu verständigen. Dass es dazu nicht gekommen ist, wissen wir heute. 30 Jahre sollte der Krieg dauern.