Landrat Roland Bernhard zur Gynäkologie und Onkologie in Leonberg.

Leonberg - Seit Ende Juli hat der Klinikverbund die Stelle eines Chefarztes für die Gynäkologie im Krankenhaus Leonberg ausgeschrieben. Landrat Roland Bernhard ist optimistisch, dass diese Position qualifiziert besetzt werden kann. Das finale Sagen aber, daran lässt der Aufsichtsratsvorsitzende des Klinikverbundes Südwest im Gespräch mit unserer Zeitung keinen Zweifel, hat der geschäftsführende Chefarzt der Gynäkologie in Böblingen. Dass Leonberg Sitz eines onkologischen Zentrums wird, hält Bernhard für unrealistisch.

 

Herr Landrat, für die Gynäkologie in Leonberg ist eine Chefarztstelle ausgeschrieben. Gibt es schon Bewerbungen?

Wir sind in konkreten Gesprächen mit Kandidaten und ich bin zuversichtlich, dass wir eine gute Lösung für das Leonberger Krankenhaus finden. Ich will dem Aufsichtsrat aber nicht vorweggreifen.

Welche Kompetenzen wird ein Chefarzt in der Leonberger Gynäkologie haben?

In Leonberg brauchen wir einen Chefarzt oder eine Chefärztin als Gesicht der Gynäkologie vor Ort. Im Leonberger Einzugsbereich haben wir viel Konkurrenz. Ein Chefarzt soll mit erkennbarem Profil die Chance haben, die dortigen Potenziale im Einklang mit dem Medizinkonzept zu hieven.

Aber er wäre nur ein „Chefarzt light“…

Nein. Mir ist wichtig, dass wir einen vollwertigen Chefarzt mit Strahlkraft bekommen. Wir brauchen in Leonberg eine Persönlichkeit vor Ort. Aber sie ist nicht freischwebend, sondern arbeitet aktiv mit Professor Stefan Renner (der geschäftsführende Chefarzt, Anm. der Red.) innerhalb des verbundweiten Zentrums für Gynäkologie und Geburtshilfe zusammen, zum Wohl aller Patienten.

Ist an einen jüngeren Arzt gedacht?

Wir sind da offen, wir wollen kein Auslaufmodell. Entscheidend ist die fachliche Expertise. Es gibt keinen Plan, die Chefarztstelle in der Leonberger Gynäkologie nur temporär zu besetzen. Das Modell kann über das Jahr 2024 hinausgreifen.

Dann eröffnet die Klinik am Böblinger Flugfeld…

Genau. Die Architekten sind bestellt, die Verfahren laufen. Man sollte die Flugfeldklinik nicht als Gegner betrachten, sie ist ein wichtiger Baustein in unserem Medizinkonzept – genauso wie Leonberg und Herrenberg.

Ein großes Problem für auswärtige Patienten wird beim Weg zum Flugfeld das tägliche Verkehrschaos sein.

Das Strahlentherapie-Zentrum ist eine perfekte Ergänzung

Ein Krankenhaus wie die Flugfeldklinik muss für die nächsten 50 Jahre geplant werden. Wir stellen uns auf die Hinterbeine, um diese Probleme zu lösen. Mit dem sechsspurigen Ausbau der A 81 will das Regierungspräsidium bis 2024 fertig sein. Auch der Lückenschluss bei Renningen wird kommen. Verkehrsmäßig werden Leonberg und Böblingen zusammenwachsen.

Direkt neben dem Leonberger Krankenhaus baut ein Privatinvestor ein Zentrum für Strahlentherapie…

Dafür bin ich dem Investor Josef Hoen sehr dankbar, weil es eine perfekte Ergänzung darstellt. Dafür haben übrigens der frühere Oberbürgermeister Bernhard Schuler und ich gemeinsam die Weichen gestellt. Wir haben an einem Strang gezogen, um Herrn Hoen den roten Teppich auszurollen.

Stärkt die Kombination Krankenhaus/Strahlentherapie den Medizinstandort Leonberg als nördliche Außenbastion des Klinikverbundes?

Grundsätzlich sind wir in zwei Welten unterwegs: in der stationären und der ambulanten Versorgung. Bei der ersten hat der Kreis den Sicherstellungsauftrag. Bei der ambulanten Versorgung sind wir nur Zuschauer. Da leiden wir drunter. Es wäre besser, wenn die Kreise von der Landespolitik mehr Kompetenzen bekämen, um beide Bereiche ganzheitlich zusammenzubringen.

Was haben die Patienten davon?

Die Patienten möchten eine gute medizinische Versorgung. Das ist ja auch die Ur-Idee des Campus, über den wir jetzt für Leonberg diskutieren. Herr Hoen hat mit seiner Strahlentherapie übrigens dafür unmerklich den Startschuss gegeben. Und auch die Klinik für Psychosomatische Medizin, die neben dem Krankenhaus gebaut wird, ist kein Player des Klinikverbundes (Träger dieser Außenstelle der Klinik für Psychiatrie in Calw-Hirsau ist das Land Baden-Württemberg , Anm. der Red.).

Es gibt niedergelassene Ärzte, die sehen in einem Campus Konkurrenz.

Das ist verständlich. Wir sind mit ihnen in einem engen Dialog. Erst im September hatten wir dazu eine offene Gesprächsrunde am Leonberger Krankenhaus mit Vertretern der Ärzteschaft, der Politik, des Klinikverbundes und den weiteren Akteuren vor Ort. Es zeigt sich, dass die Campus-Idee auf allen Seiten Anklang findet und wir viele Ideen aufnehmen konnten. Die wollen wir in die weiteren Überlegungen einfließen lassen.

Wir können das Medizinkonzept nicht wegen der Strahlentherapie ändern

Der Leonberger Oberbürgermeister Martin Kaufmann hat einen onkologischen Schwerpunkt ins Gespräch gebracht.

Da habe ich keine Berührungsängste. Aber wir müssen sehen, was das bedeutet: Ein onkologischer Schwerpunkt ist ein Netzwerk aller rund um die Onkologie beteiligten Ärzte, Kliniken und Nachsorgeneinrichtungen. Das hängt nicht territorial von einem Krankenhaus ab. Anders verhält es sich bei einem onkologischen Zentrum. Für das braucht es aber die Zertifizierung der Deutschen Krebsgesellschaft. Für die müssen hohe Hürden übersprungen werden. Da sehe ich nur eine Chance für das künftige Flugfeldklinikum.

Herr Kaufmann verweist darauf, dass durch die benachbarte Strahlentherapie das Krankenhaus Leonberg als onkologischer Standort bestens geeignet ist.

Der Klinikverbund ist dran, einen onkologischen Schwerpunkt für den Kreis zu beantragen, aber wir können unser Medizinkonzept nicht wegen einer Strahlentherapie ändern….

…in dem ist für Leonberg und Herrenberg eine Basisversorgung vorgesehen. Was bedeutet das?

Wie Basisversorgung definiert wird, ist nicht Aufgabe der Politik und des Landrats. Das Medizinkonzept ist nur grob geschnitzt. Es liegt nun an der Geschäftsführung des Klinikverbundes, das Holz fein zu raspeln. Es darf keine Bevorzugungen einzelner Standorte geben. Grundvoraussetzungen sind Qualität und höchste Effizienz. Aber Feinjustierungen und neue Ideen lässt das Medizinkonzept zu. Wenn wir allerdings an den Grundfesten rütteln, gefährden wir die Förderung des Landes.

Kritiker sagen, dass eine Klinik ohne Spezialisierung nicht kostendeckend arbeiten kann..

Es ist klar, dass mit der Basisversorgung keine schwarze Null erzielt werden kann. Diese Lücke decken wir durch Beiträge des Kreises ab. Die Forderungen nach der schwarzen Null in der Medizinversorgung finde ich unfair und unredlich. Sie ist mit den derzeitigen Rahmenbedingungen kaum zu erreichen.

Die Geschäftsführung spricht gleichwohl von einer Spezialisierung für Leonberg: bei den entzündlichen Darmerkrankungen.

Wenn man gute Leute vor Ort hat und den Markt durchdringt, sind die Geschäftsführung und ich die letzten, die eine solche Spezialisierung verhindern. Aber diese muss innerhalb des Klinikverbundes im Konsens geschehen. Es ist gut, Patienten aus den Nachbarkreisen zu gewinnen, aber wir dürfen uns keine Binnenkonkurrenz machen.