Der Landrat ist stolz, dass der Kreis nach einer Studie zu den zukunftsfähigsten in Deutschland gehört. Die Integration der Flüchtlinge bezeichnet er als wichtigste Aufgabe für seine zweite Amtszeit. Die Neuausrichtung der Kliniken ist sein zweiter Schwerpunkt.

Böblingen - Seine Wiederwahl im kommenden Monat ist ziemlich sicher. Hat doch Roland Bernhard, der amtierende Landrat, keinen Gegenkandidaten. Das war bei seiner ersten Wahl vor acht Jahren anders. Die Freien Wähler und die SPD stimmten mehrheitlich für einen anderen Bewerber. Dass er sich mit allen Fraktionen gut versteht, führt Bernhard auf seinen Politikstil zurück, wie er im Rückblick auf die erste Amtszeit erläutert.
Herr Bernhard, vor acht Jahren sind Sie nur mit knapper Mehrheit im Kreistag zum neuen Landrat gewählt worden. Ist es Ihnen mittlerweile gelungen, das Gremium hinter sich zu bringen?
Mein persönlicher Eindruck ist, dass das gut gelungen ist. Es mag am Anfang eine gewisse Gewöhnungsphase gegeben haben, aber die war überraschend kurz. Mein Eindruck ist, dass ich das Vertrauen der Fraktionen habe. Und ich vertraue auch den Fraktionen. Ich habe zu allen ein gutes Verhältnis. Und so ist es uns gelungen, auch bei kritischen Sachfragen stets zu einem Ergebnis zu kommen. Das gute Miteinander im Kreistag auch zwischen den Fraktionen ist unser Markenzeichen.
Im Kreistag mag das stimmen – so die Rückmeldung von Kreisräten. Aber im Landkreis akzeptiert man Sie nicht überall als Chef. Besonders kritisch ist man in Leonberg.
Ich bin Landrat von 26 Städten und Gemeinden. Dazu gehört auch der Leonberger Raum. Da mache ich keine Unterschiede. Wir haben eine Berufsschule in Leonberg, eine Klinik, viele Kreisstraßen. Es mag in der Bevölkerung noch eine Trennung im Denken geben zwischen dem Kreis Böblingen und dem Altkreis Leonberg. Aber seit der Kreisreform sind 40 Jahre vergangen. Dass da noch Emotionen da sind, das ist normal und zu respektieren. In der politischen Alltagsarbeit spielt das keine Rolle.
Der Leonberger Oberbürgermeister Bernhard Schuler sieht das etwas anders.
Es gibt gelegentlich die eine oder andere Spitze. Da tickt die Uhr vielleicht in Leonberg ein wenig anders. Ich versuche immer, auf die Sachebene zu kommen. Wenn einzelne Personen versuchen, hier und da mal einen Spalt zwischen den Landkreis und den Altkreis Leonberg zu schlagen, sehe ich das eher gelassen.
Was sagen Sie zum Vorwurf mancher Kreisräte, dass der Landrat zu viel rede und mit Dingen an die Öffentlichkeit gehe, die noch ausdiskutiert werden müssten?
Das ist immer eine Gratwanderung: zum einen die Öffentlichkeit einbinden und zum anderen den Kreistag nicht übergehen. Es gab auch Themen, zum Beispiel bei den Kliniken, da lautete der Vorwurf, die Räte hätten Wichtiges schon aus der Presse erfahren. Man kann bestimmte Themen während der Vorberatung nicht unter der Decke halten. Aber wir müssen bei jedem Thema neu abwägen und dort, wo es nötig ist, den Gremienvorbehalt deutlich machen. Mir ist Transparenz wichtig, ohne die Hoheit des Kreistags antasten zu wollen.
Wenn Sie zurückblicken auf die acht Jahre: Was war die größte Enttäuschung?
Auf der Sachebene gibt es wenige Enttäuschungen. Was mir wirklich sehr schwergefallen ist, war die Entscheidung, die Turnhallen unserer beruflichen Schulen für Flüchtlinge heranzuziehen. Aber dafür gab es aufgrund der Not sachliche Argumente. Etwas anderes ist die menschliche Ebene. Ich habe ein Menschenbild, dass ich anderen vertraue und ihnen etwas zutraue, Motivation braucht Freiräume. Enttäuschung entsteht, wenn diese Freiräume ausgenutzt werden. Ein Beispiel dafür war die Korruptionsaffäre im Abfallwirtschaftsbetrieb. Das ist mir an die Nieren gegangen. Wir mussten Korsettstangen einziehen. Wir haben die Richtlinie zur Verhütung von Korruption verschärft und ein Leitbild erstellt. Unser Kontrollsystem funktioniert.
Haben Sie Ihren Laden im Griff?
„Im Griff“ ist ein zwiespältiger Begriff. Es geht mir mehr um die Frage des Miteinanders. Insoweit bin ich dafür, in der Kreispolitik die Pros und Kontras aller Beteiligten achtsam aufzunehmen und zu erörtern. Aber irgendwann müssen Entscheidungen getroffen und dann konsequent umgesetzt werden. Meine Rolle sehe ich als Impulsgeber und als Teamplayer, ich bin bemüht, die Menschen mitzunehmen und um die beste Lösung zu ringen. Diesen Stil versuche ich, auch innerhalb der Verwaltung zu pflegen.
Was war das Bedeutendste, das Sie erreicht haben?
Zwei Dinge ragen aus meiner Warte heraus: erstens die Neuausrichtung der Kliniken. Wir haben uns von der Philosophie verabschiedet, auf Teufel komm raus nur die Erlöse zu steigern und mit dem Medizinkonzept einen Pfad gefunden, bei dem die Krankenhäuser arbeitsteilig und standortübergreifend zusammenwirken. Es ist ein Quantensprung, zum einen die Häuser in Böblingen und Sindelfingen zu einem Flugfeldklinikum zusammenzuführen, zum anderen die Standorte in Leonberg und Herrenberg zu modernisieren.
Ein zweiter Punkt war die Gründung des Hermann-Hollerith-Zentrums (HHZ). 20 Jahre lang hat der Kreis gekämpft, Hochschulstandort zu werden. Der Ausbau schreitet voran: Bald werden es 300 Studierende sein. Wir überlegen, dass HHZ zu einem interdisziplinären Zentrum zur Digitalisierung auszubauen. In beiden Fällen hat der Kreistag mit mutigen und weitsichtigen Entscheidungen die Grundlage für den Erfolg gelegt, wofür ich dankbar bin.
Und gab es einen richtigen Flop? Etwas, das der Kreistag Ihnen verwehrt hat?
Das Einzige, was mir einfällt: Ich hätte gerne das Jobcenter in der Alleinregie des Landkreises behalten. Gerade jetzt beim großen Thema Flüchtlinge ist es hilfreich, alle Hilfsangebote in einer Hand zu haben. Dafür hätte ich damals eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Kreistag gebraucht. Das ist nicht gelungen, inzwischen ist das aber Schnee von gestern. Heute arbeiten Landkreis und Bundesagentur sehr gut zusammen. Ansonsten halten sich die Niederlagen in Grenzen. Dazu trägt das gute Klima im Kreistag bei, aber auch unser Zukunftskreis, in dem alle Fraktionen Ideen entfalten, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind und aus dem schon manche Idee erfolgreich und im Konsens in die Gremien gewandert ist.
Zum Beispiel?
Die Sculptoura hat hier ihren Anfang genommen. Entstanden ist hier auch die Idee für einen Aussichtsturm im Schönbuch.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten?
Ich wünsche mir einen Europabeauftragten. Den hat aber der Kreistag schon dreimal abgelehnt. Das respektiere ich. Aber ich gebe mich nicht gerne mit Pflichtaufgaben zufrieden. Wir wollen in allen Politikfeldern weit vorne stehen. Dazu ist es nötig, analog zu unseren Unternehmen ehrgeizige Ziele zu stecken. Ich bin stolz, dass der Landkreis bei der Prognos-Studie zur Zukunftsfähigkeit der bundesweit 401 Stadt- und Landkreise den vierten Platz belegt.
Liegt das an Ihnen oder nicht eher an den starken Unternehmen im Kreis?
Das liegt natürlich an den Unternehmen, aber auch an der Leistung der 26 Kreiskommunen. Und an unserer Infrastruktur im Kreis, für die wir verantwortlich sind. An den vielen guten Schulen zum Beispiel. Die sind ein Anziehungspunkt auch für Schüler von außerhalb des Kreises.
Was ist die größte Herausforderung für die kommenden acht Jahre?
An der Spitze steht die Integration der vielen Flüchtlinge. Diese Aufgabe beginnt jetzt erst richtig. Bisher waren wir vor allem mit der Unterbringung beschäftigt. Jetzt geht es um das Erlernen der Sprache und Kultur, der Bildung und eines Berufs. Der Kreistag hat bereits einen Migrationsplan beschlossen. Dieser soll nun um einen Teilplan „Integration von Flüchtlingen“ erweitert werden. Ich bin überzeugt, dass die Integration glücken wird.
Das zweite große Thema sind die Kliniken?
Ja, die Gesundheit der Menschen in unserer älter werdenden Gesellschaft ist wichtig. Mit der neuen Klinik auf dem Flugfeld und dem Medizinkonzept sind die Weichen politisch gestellt. Jetzt geht es um die Umsetzung, wo noch manches dicke Brett zu bohren sein wird.
Wird das eine Roland -Bernhard-Klinik?
Nein, ich lege großen Wert darauf, dass dies ein Gemeinschaftswerk ist, das mit den Kreis- und Aufsichtsräten entwickelt wird, bei dem die Kommunen mitwirken, die Nutzer, aber auch Bürger einbezogen werden. Aber ich bin schon bestrebt, dass die Fertigstellung 2023 klappt.
Ein Jahr später endet Ihre Amtszeit. Wie sieht der Kreis dann aus?
Dann steht die Klinik auf dem Flugfeld, die Häuser in Herrenberg und Leonberg sind saniert. Die Schönbuchbahn fährt mit Elektrofahrzeugen, die Autobahn ist ausgebaut – mit Lärmschutzdeckel – und die Staus sind Vergangenheit.
Was soll man dann über Sie sagen?
Darüber denke ich nicht nach. Mein Amt macht mir Freude, ich brenne für diese Arbeit. Und wenn dabei Erfolge herauskommen, ist das wertvoll. Aber es sind nicht meine Erfolge, sondern unsere Erfolge, die unsere Kreisräte und meine Mitarbeiter möglich machen.

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