„Fußball eine der schwersten Sportarten für Blinde überhaupt“, sagt Andreas Escher vom württembergischen Behinderten- und Rehabilitationssportverband (WBRS). Die Viertklässler der Flattichschule in Korntal-Münchingen hatten einen besonderen Sportunterricht. Sie nahmen, wie schon im Januar dieses Jahres, beim Aktionstag „Handicap macht Schule“ teil.

Korntal-Münchingen - Das Spiel ist eigentlich kinderleicht. Die Schüler stehen im Kreis, zwei Bälle sind im Umlauf, die möglichst schnell an den Nebenmann weitergereicht werden sollen. Ziel ist, dass der eine Ball den anderen überholt. Um einiges schwerer wird die Aufgabe, wenn die Kinder ihre Augen verbunden haben. Plötzlich kommen andere Sinne mit ins Spiel, sie achten darauf, was sie hören oder fühlen. Der Spaß ist groß, wenn der Mitspieler mit den Händen wild in der Luft fuchtelt und versucht, den Ball „blind“ zu erhaschen. Dieses Spiel ist nur eine Vorübung, um die Kinder an Blindenfußball heran zu führen. „Fußball eine der schwersten Sportarten für Blinde überhaupt“, sagt Andreas Escher vom württembergischen Behinderten- und Rehabilitationssportverband (WBRS).

 

Die Viertklässler der Flattichschule in Korntal-Münchingen hatten einen besonderen Sportunterricht. Sie nahmen, wie schon im Januar dieses Jahres, beim Aktionstag „Handicap macht Schule“ teil. Initiatoren und Träger dieses Projektes sind die SportRegion Stuttgart sowie der WBRS. Neu im Boot ist der württembergische Fußballverband (WFV). „Wir wollen verbandsübergreifend zuerst schauen, welche Angebote es im Behindertensport bereits gibt, dann gilt es, Betreuer und Übungsleiter zu schulen, die in diesem Bereich tätig sein können“, sagte Werner Schwanzer, der Beauftragte des WFV für Inklusion, während der Pressekonferenz im Rahmen dieses Projektes. Das Ziel sei es, behinderte Sportler mehr in die Vereine zu integrieren. Wie es funktionieren kann, zeigt seit vielen Jahren der MTV Stuttgart, dessen Blindenfußballer in der Ersten Liga spielen. „Ich wünsche mir, dass diese Selbstverständlichkeit der Öffnung gegenüber behinderten Sportlern auch in anderen Vereinen stattfindet“, sagte Werner Schwanzer.

Ursprünglich war das Projekt „Handicap macht Schule“ auf den Zeitraum 2013/2014 begrenzt. 27 Schulen wurden in dieser Spanne in der Region besucht – im Altkreis Leonberg waren die Flattichschule in Korntal-Münchingen, die Würmtalschule in Merklingen und die Teichwiesenschule in Korntal dabei. Die Idee, die dahintersteckt: Schülerinnen und Schüler lernen unter Anleitung der beiden Trainer Werner Rieger (der seit seinem 19. Lebensjahr querschnittsgelähmt ist) und Benjamin Zoll (Lehrer an der Nikolauspflege in Stuttgart) Rollstuhlbasketball und Blindenfußball. Rieger selbst ging für den TSV Ellwangen in der zweiten Bundesliga auf Korbjagd.

Die Aktion kam vor Ort richtig gut an. „Nach der Bekanntgabe, dass das Projekt fortgeführt wird, gingen zahlreiche Anfragen von interessierten Schulen bei uns ein“, sagte Joachim Wolf, Bürgermeister von Korntal-Münchingen und Vorstandsmitglied der SportRegion Stuttgart. 69 Schulen wollten bei der zweiten Staffel im Jahr 2015 dabei sein, nur 50 können besucht werden. Und damit diese Aufgabe auch logistisch optimal gelöst werden kann, hat das Projekt bereits begonnen. Eine Nürtinger Firma, die Orthopädie- und Rehasysteme liefert, unterstützt das Projekt mit Rollstühlen, „Weil Sport Barrieren überwindet, und das Zauberwort dabei ist die Nachhaltigkeit“, sagt Geschäftsführer Knut Erpenbach. Wichtig seien nicht nur die Aktionen in den Schulen, wo die Kinder für das Thema sensibilisiert werden. „Es müssen Stützpunkte entstehen, wo man den Sport betreiben kann und wo die Behinderten in die Vereine integriert werden“, fordert Erpenbach.

Dem Thema Inklusion aufgeschlossen gegenüber ist Volker Staiger, der Vereinsvorsitzende des TSV Münchingen. „Ich finde es toll, dass man das Thema zu den Kindern in die Schule bringt.“ Er selbst könne sich vorstellen, Sport für Behinderte beim TSV anzubieten. „Das Problem sind derzeit noch die Hallenkapazitäten, zudem sind ausgebildete Übungskräfte notwendig.“ Eine Aktion könnte aber schon im kommenden Jahr in die Tat umgesetzt werden, wenn am 20./21. Juni in Münchingen das Gaukinderturnfest ausgetragen wird. Gemeinsam mit Frank Ehmann, Abteilungsleiter Turnen beim TSV Münchingen und im Präsidium des Turngau Neckar/Enz, möchte er überlegen, wie er bei diesem sportlichen Ereignis auch behinderte Kinder integrieren kann. Hier stößt er bei Rainer Wahl, Vizepräsident des WBRS, auf offene Ohren. „Es ist ganz in unserem Sinne, dass Vertreter von Vereinen und Verbänden auf uns zugehen, so kommt Dynamik in die Sache.“

In der Zwischenzeit ist die Sportstunde beendet. Die Kinder sind um viele Erfahrungen reicher. „Jetzt weiß ich, wie sich Blinde fühlen“, sagt der zehnjährige Cedric. Auch der Klassenlehrer Albrecht Lannes war an diesem Vormittag mit Begeisterung dabei. „Bei diesem Projekt geht mir es darum, dass die Kinder mit der Thematik Behinderung konfrontiert werden und dass sie sensibilisiert werden zu sehen, wo sie helfen können.“ Sein Fazit lautete: „ Kinder gehen sehr offen damit um.“