Das Herrenhaus und der Wehrkirchbereich öffnen ein Fenster in die Geschichte der Region.

Weissach - Wer hätte gedacht, dass die wohl interessanteste Tür in der alten Wehrkirchanlage von Weissach weder zum mächtigen Bergfried noch ins Herrenhaus selbst führt? Nur wenige Meter weiter prangt eine große dunkle Holztür, versperrt durch ein mächtiges Schloss mit zwei Schlüssellöchern. Tür und Schloss sind weit über 100 Jahre alt – wie alt genau, das lässt sich heute nicht mehr sagen.

 

Der Weg hindurch führt in den Keller des historischen Herrenhauses. Lange Zeit lag das Gewölbe im Besitz von fünf Familien, die die Verschläge darin zum Lagern vor allem von Lebensmitteln nutzten. „Deshalb braucht man immer zwei Schlüssel gleichzeitig, um es zu öffnen“, erklärt Gerhard Mann vom Förderkreis Kultur in Weissach. „Das ist das Vier-Augen-Prinzip.“ Da jeder immer nur einen Schlüssel hatte, konnten die Eigentümer sichergehen, dass niemals nur einer alleine in die Kellerräume ging, um sich unbemerkt an den Waren der anderen zu vergreifen. Eine weitere Besonderheit: Hinter dem Holz liegt noch mal ein robustes Eisengitter. „Man musste den Keller ja auch immer mal wieder durchlüften, auf diese Weise konnte man Luft hineinlassen und trotzdem sicher sein, dass niemand hereinkam.“

Die ältesten Balken stammen aus dem 13. Jahrhundert

Dieser Abschnitt in der Geschichte des Wehrkirchbereichs liegt noch gar nicht so lange zurück – zumindest im Vergleich zur Entstehung der gesamten Anlage. Die ältesten Balken, die im Kirchturm (ehemaliger Bergfried) gefunden wurden, gehen immerhin auf das Jahr 1256/57 zurück. „Wann genau das Herrenhaus entstand, ist leider nicht bekannt“, sagt Mann. Historiker gehen von einer Erbauung im 14. Jahrhundert aus, 1376 wird es zum ersten Mal schriftlich erwähnt – und als Eigentum des Klosters Maulbronn deklariert.

Beide, Herrenhaus und Wehrturm, lagen früher eingebettet in einen weiten Ring aus einer hohen Mauer, die zum Teil bis heute erhalten ist. Der Wehrgang auf der Innenseite der Mauer führte mitten durch das steinerne Herrenhaus hindurch. Zwei Türen im Obergeschoss verraten noch heute, wo es damals hinein- und hinausging. „Wenn das Dorf angegriffen wurde, konnten sich die Menschen in den Wehrkirchbereich flüchten und hinter den Mauern Schutz finden“, berichtet Mann.

Das Herrenhaus war die Zehntscheune von Weissach

Bewohnt war die Anlage wohl nie – auch wenn die vielen Gebäude auf dem Hügel auf den ersten Blick anderes vermuten lassen. Doch bei den Häuschen handelt es sich lediglich um Gaden, sie dienten zur Lagerung. „Es gab dort oben zum Beispiel nie einen Brunnen.“ Die einzige Ausnahme bildet das Herrenhaus. Für kurze Zeit hat darin tatsächlich einmal eine Pfarrerswitwe gelebt. Dies ist jedoch der einzige belegte Hinweis auf eine Nutzung als Wohnhaus – und die wird mit Sicherheit nicht besonders angenehm gewesen sein. Fehlender Verputz und fehlende Fenster sprechen in jedem Fall gegen eine dauerhafte Behausung. Welchem Zweck aber dienten das Gebäude und sein Keller dann? „Das Herrenhaus war die Zehntscheuer von Weissach“, erklärt Mann. Bekanntlich mussten Bürger der Obrigkeit immer den Zehnten, also etwa zehn Prozent, ihrer Einnahmen, meist ihrer Ernte, abgeben. In diesem Fall war das das Kloster Maulbronn.

Aufbewahrt wurden die Güter in der Zehntscheune oder in dem großen Keller darunter. „Dort lagerten bis zu 26 000 Liter Wein“, weiß Gerhard Mann. Der diente allerdings nicht dazu, dass sich die Geistlichen jeden Tag ein feines Tröpfchen gönnen konnten. „Das war eine wichtige Handelsware.“ Erst im 18. Jahrhundert verlegte das Kloster seine Zehntscheune an ihren heutigen Standort bei der Bibliothek.

Das Herrenhaus heute

Der Keller wurde danach noch eine Zeit lang vom Kloster genutzt, bevor er in den Besitz von Privatleuten überging. „Keller waren damals ungemein wichtig für die Leute“, erklärt Mann. „Die Menschen waren Selbstversorger und mussten ihre Lebensmittel irgendwie lagern, es gab ja noch keine Kühlschränke oder etwas in der Art.“ Doch unten im Dorf konnten die Bürger wegen des Grundwassers und der Hochwassergefahr keine Keller unter ihren Häusern anlegen, weshalb sie den hoch gelegenen Wehrkirchbereich dafür nutzten. „Der ganze Hügel hier ist unterkellert.“