Bei den Bürgern rumort es: Jetzt hat sich eine Initiative gegründet, die die Windräder verhindern will. Die drei Windkraftanlagen sollen 15 Meter höher werden als der Stuttgarter Fernsehturm.

Heimsheim - Als Stadträtin ist Sabine Kiedaisch oft im Ort unterwegs, spricht viel mit den Leuten. Nur beim Thema Windräder – da ist sie oft auf Unkenntnis gestoßen. Gleichzeitig wurde ihr Ratskollege Dennis Waldherr von Jochen Braun angesprochen, einem Heimsheimer Diplom-Ingenieur, der sich viel mit Energietechnik beschäftigt. Und Christa Pfisterer, die im Ort bekannte CDU-Chefin und Kreisrätin, verfasste einen Leserbrief in zur Windenergie.

 

So kam eines zum anderen – jetzt sitzen sie alle in der Heimsheimer Zehntscheune zusammen, mittlerweile zum vierten Mal, und debattieren. Ihr großes Thema: Die drei Windräder, die der Verband Region Stuttgart auf Merklinger Gemarkung, an der Stadtgrenze zu Heimsheim, ausgewiesen hat. „Es ist vielen nicht klar, was da kommen soll“, hat Sabine Kiedaisch, Stadträtin der „Bürger für Heimsheim“, festgestellt. „Viele denken etwa an den Grünen Heiner bei Weilimdorf.“

Windräder dreimal so hoch wie der Grüne Heiner

Dabei sollen die drei Windräder hier bis zu 230 Meter hoch werden, dreimal höher als der Grüne Heiner, 15 Meter höher als der Stuttgarter Fernsehturm. Vor allem aufklären, das haben sie sich hier auf die Fahnen geschrieben. Die Bürgerinitiative „Pro Heimsheim“ ist daraus entstanden, an alle örtlichen Haushalte hat sie Info-Flyer verteilt. „Mit guten Argumenten kann man das Projekt noch verhindern“, hofft Matthias Machts. „Und unsere Argumente sind gut.“

Dafür haben die Bürgerinitiatoren ihre Fühler ausgefahren, sich informiert, mit anderen Windkraft-Betroffenen vernetzt, die im Ort vorhandene Kompetenz genutzt. Denn die „Windenergie Baden-Württemberg“, die in die Windkraft im Auftrag der Stadt Weil der Stadt investieren will, macht sich allerlei Hoffnungen von den drei Rädern. Drei Megawatt Strom sollen sie jedes Jahr produzieren, genug Energie für etwa 16 000 Menschen. Rund 15 000 Tonnen CO2 soll das einsparen.

„Es hat hier doch gar keinen Wind“, sagt dazu Jochen Braun und verweist etwa auf die vergangenen drei Hochdruck-Wochen. „Die Politik kann das zwar beschließen, aber die Gesetze der Physik trotzdem nicht überlisten.“ Dennis Waldherr, der CDU-Gemeinderat, nickt heftig. „Wir sind das windschwächste Bundesland – und Böblingen darin der windschwächste Kreis.“ Dass sie keine Gegner von Windkraft sind, darauf legen die Bürger hier in der Zehntscheune wert. „Aber man muss sie eben dort machen, wo sie Sinn macht“, schimpft auch CDU-Chefin Christa Pfisterer.

Also nicht in den Merklinger Wald, davon sind die Heimsheimer überzeugt. 96 mögliche Standorte hatte der für die Wind-Planung zuständige Stuttgarter Regionalverband im Jahr 2012 ausgemacht. Erste Prüfungen folgten – so wurde etwa Leonberg aussortiert, weil die Stadt in einer Einflugschneise des Flughafens liegt – einigte sich die Regionalversammlung schließlich im September 2015 auf 41 Standorte. Einer davon liegt im Kreis Böblingen, direkt an der Grenze von Stadt, Kreis und Regierungsbezirk, nämlich im Weil der Städter Stadtwald.

Wochenendhaus nur 400 Meter entfernt

Etwa 800 Meter von Heimsheim entfernt. „Mein Wochenendhaus liegt nur 400 Meter weit weg“, sagt einer beim Treffen der Bürgerinitiative Pro Heimsheim in der Zehntscheune. Dass die Stadt Weil der Stadt einmal von der Verpachtung ihres Stadtwaldes an die Windinvestoren profitieren, sie aber die Auswirkungen ausbaden müssen, dass wollen sie hier auf keinen Fall akzeptieren. Vor allem vor dem Lärm und dem Schatten der Anlagen haben sie Angst

„Ich habe das ausgerechnet“, erklärt Daniel Schwarz, ein junger Elektromeister, und deutet auf eine sorgsame Bleistift-Zeichnung, in der sich Pfeile, Striche und Flächen kreuzen. „Zum Beispiel unsere Schule wäre ein halbes Jahr lang täglich etwa eine halbe Stunde von der Schattenwirkung betroffen“, sagt er. Schattenwirkung, das hieße: Licht und Schatten wechseln sich ständig ab, jedes Mal, wenn ein Rotorblatt die Sonne kreuzt. Dann wird abgeschaltet, das hatte der Investor doch versprochen, als das Projekt im vergangenen September in der Merklinger Turnhalle vorgestellt wurde. „Ja“, hat Sabine Kiedaisch recherchiert. „Aber erst ab einer halben Stunde, solange wären wir auf jeden Fall betroffen.“

Auch der Lärm macht Bürgerinitiatoren Sorgen. „Ich bin extra nach Simmersfeld gefahren“, erzählt Waldherr. Dort, im Nordschwarzwald, stehen 14 Windräder. „Das ist ein permanentes Wummern und Rauschen, das hört man auch noch in 800 Metern Entfernung sehr gut“, berichtet er. CO2 würde Windkraft ohnehin nicht einsparen, Gas-, Öl- und Kohlekraftwerke müssten ja vorgehalten werden, wenn der Wind nicht weht, wirft der Heimsheimer Ingenieur Jochen Braun ein. Und Christa Pfisterer weiß von einem Ortsvorsteher im Kreis Heidenheim, dass dort überlegt wird, die fünf Windräder nachts wegen des Lärms wieder abzuschalten.

Am Ende sind sie sich in der Zehntscheune einig. In diesem Jahr soll es eine gemeinsame Sitzung der Gemeinderäte von Heimsheim und Weil der Stadt geben, dafür wollen sie ihrem Bürgermeister und ihren Ratsvertretern den Rücken stärken. Bis zum 10. Februar läuft eine Unterschriften-Sammlung, eine Wanderung zur Gemarkungsgrenze ist geplant. „Das ist ein herrliches Waldgebiet dort“, findet schließlich Christa Pfisterer. „Auch die Merklinger wandern da gerne.“