Prozess: Zwei Heimsheimer widersetzen sich den Beamten, einen vorsätzlichen Angriff sieht der Richter aber nicht.

Heimsheim - Haben ein 77-jähriger Heimsheimer und dessen Familie tatsächlich zwei Polizisten vorsätzlich angegriffen und verletzt? Im Laufe des Prozesses am Amtsgericht Maulbronn am Dienstag wird das immer unwahrscheinlicher. Das Verfahren wird, wenn auch zum Teil gegen Auflagen, eingestellt.

 

Der Richter Bernd Lindner ist davon überzeugt, dass sich die beiden angeklagten Männer, der 77-Jährige und dessen Sohn, den Vollstreckungsbeamten widersetzt haben. Zu den weiteren, schwerwiegenden Anklagepunkten erweisen sich die Aussagen des Polizisten, der als erster Zeuge geladen ist, jedoch als widersprüchlich. Keine der angegebenen Verletzungen, vom aufgeschürften Knie bis hin zum angeblichen Schlag in den Bauch, lässt sich tatsächlich auf einen Angriff der beiden Männer zurückführen. Der Richter kürzt die Sache daher mit Einverständnis der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten ab. Alle übrigen Zeugen werden nach Hause geschickt. Das Verfahren gegen die Ehefrau wird wegen Geringfügigkeit ganz eingestellt, das gegen Vater und Sohn gegen eine Auflage von jeweils 500 und 800 Euro.

Der Vorfall, der dem Prozess voranging, ereignete sich am 7. April 2017 gegen 23 Uhr. Am selben Tag war der 77-Jährige mit dem Auto unterwegs gewesen und so dicht an einem Nachbarn vorbeigefahren, mit dem er lange schon im Streit lag, dass dieser nach eigener Aussage zur Seite hechten musste. Mittlerweile wurde er deswegen wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt, hat gegen das Urteil aber Rechtsmittel eingelegt. Nach der Anzeige des Nachbarn standen am späten Abend die Polizisten vor der Tür des Angeklagten – zu diesem Zeitpunkt stand noch der Verdacht auf eine versuchte Tötung im Raum.

Mann war alkoholisiert

„Er war offenkundig stark alkoholisiert“, berichtet der Polizist vor Gericht. Da der Heimsheimer sich weigerte, in das bekannte „Röhrchen“ zu pusten, wollten die Beamten ihn – nach Rücksprache mit dem Staatsanwalt – zur Blutprobe mitnehmen. Daraufhin sei er sehr aggressiv geworden, weder wollte er mitkommen noch seinen Führerschein, wie gefordert, abgeben. „Wir haben noch mehrfach auf ihn eingeredet.“ Auch Warnungen, dass sie sonst Gewalt anwenden müssten, wurden ausgesprochen, so der Polizist. Als sie den Mann an den Armen herausführen wollten, habe er mit aller Kraft versucht, sich ihrem Griff zu entwinden, worauf die Situation dann offenbar eskalierte. Die Polizisten drückten den Heimsheimer zu Boden und legten ihm Handschellen an. Dabei zog er sich eine Platzwunde am Kopf zu. „Ich habe um Hilfe gerufen, und ich habe auch deutlich gesagt, dass ich Schmerzen habe“, erzählt der 77-Jährige vor Gericht.

Aussagen machen Richter stutzig

Als der Sohn seinen Vater schreien hörte, kam er hinzugerannt. Ohne aggressive Absichten, wie er betont. Die Polizisten gaben damals jedoch an, dass er mit geballten Fäusten auf sie zugestürmt sei. Sie setzten deshalb Pfefferspray gegen ihn ein, woraufhin der Sohn zu Boden ging. Nachdem er sich wieder aufgerappelt hatte, ging er zu seinem am Boden liegenden Vater. Hier machen die Aussagen des Polizisten den Richter stutzig. Die Beamten zerrten den Sohn nämlich von seinem Vater weg – weil dieser ihn befreien wollte, wie sie damals angaben. „Sie haben aber selbst gesagt, dass man die Handschellen so gar nicht aufbekommen kann. Was hätte es denn geschadet, wenn er bei seinem Vater kniet?“, will Lindner wissen. Der aussagende Polizist gab ursprünglich auch an, dass er von dem Sohn in den Bauch getreten oder geschlagen worden sein müsse. Aus heutiger Sicht könne er aber natürlich nicht mehr genau sagen, ob das wirklich gezielt passiert sei oder im Eifer des Gefechts. Auf jeden Fall habe der Sohn sich ebenfalls gegen die Festnahme gewehrt.

Die Aussagen der Angeklagten und des Polizisten reichen Richter Bernd Lindner, um an den Vorwürfen eines vorsätzlichen Angriffs zu zweifeln. Ganz besonders bei der Ehefrau des 77-Jährigen, bei der die Anklage auf Körperverletzung nicht einmal der Polizist nachvollziehen kann. Sie wollte ihn damals nur am Arm festhalten, worauf er sie aus Reflex wegschubste und sie stürzte. Entsprechend wird das Verfahren gegen sie restlos eingestellt. Die beiden Männer will Richter Lindner aber nicht ohne Weiteres nach Hause schicken. „Die Beamten machen auch nur ihren Job und haben es verdient, dass man sie nicht angeht“, stellt er klar. Der auferlegte Geldbetrag wird an die Christophorus-Hilfe für schwerbehinderte Kinder gezahlt.