Zum letzten Mal lädt Hans Jäckel zu seiner beliebten Fünf-Seen-Radtour ein. Danach ist endgültig Schluss.

Renningen - Fahrt bitte nicht zu schnell und nehmt Rücksicht aufeinander“, mahnt Hans Jäckel die 38 Teilnehmer seiner Fünf-Seen-Radtour rund um Renningen vor dem Start am Brunnen vor dem Rathaus. „Wir machen eine Saisonauftaktfahrt und kein Ausscheidungsrennen“, richtet er sich lachend vor allem an die älteren Pedelec-Fahrer. Flott ist das Fahrttempo dennoch, das der 79-jährige dann an der Spitze vorgibt. Mit frischen Beinen folgen die Mitfahrer in einer langen Schlange Richtung Warmbronner See, der ersten Station der Gewässertour. Der sei 1687 zum ersten Mal auf einer Forstkarte erwähnt worden und wie die auf die Route folgenden Gewässer zum Eisstechen genutzt worden.

 

Nach einer kurzen Pause treibt der drahtige Jäckel die Mitfahrer zum Aufbruch. Mit strammen, muskulösen Waden tritt er in die Pedale. Hinter Warmbronn folgt ein saftiger Anstieg, auf dessen Höhe Jäckel nach einem kurzen Suchspiel seine überwiegend älteren Mitfahrer mit einer Runde Schaumküsse die Energiespeicher wieder füllen lässt. Rasch erreicht die Gruppe den Magstadter Eissee, in dem bis Ende der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts für die örtlichen Brauereikeller das Eis mit der Axt herausgeschlagen und mit dem Pferdefuhrwerk in einen zentralen Eiskeller gebracht wurde. Heute liegt der See ein wenig vergessen und moderig zwischen einem Gewerbe- und Wohngebiet im Dornröschenschlaf.

36 ... 37 ... 38 – alle da!

Jäckel vermittelt den Radlern bei kurzen Pausen kulturhistorische Informationen zu den Gewässern. Unterwegs grüßt der gebürtige Berliner, mit seinem unüberhörbaren Dialekt fröhlich Spaziergänger und Radler – immer mit dem verschmitzten Hinweis, sie mögen bis 38 zählen, dann sei die Gruppe auch komplett vorbei.

Motiviert geht es im flotten Tempo durch das Hölzer Tal zum Hölzersee . Dieser habe als Eisspeicher, aber auch dem Talmüller zwischen Magstadt und Renningen als Wasserreservoir gedient. Bei Wassermangel sei dieser mit dem Pferd an den See gekommen, um einen Schieber zu öffnen und bereits vor Ankunft des Scheitelpunktes der Welle wieder zurück an der Mühle gewesen.

Seine knapp 80 Jahre sind dem zierlichen, drahtigen Jäckel mit der Figur eines Bergfahrspezialisten auf der Tour de France mit dem blauen Tourenrad an der Spitze selbst an steilen Anstiegen nicht anzumerken. Fast 120 000 Kilometer hat er auf seinem blauen Fahrrad mit der Nabenschaltung zurückgelegt und noch heute fährt er 6000 bis 7000 Kilometer im Jahr mit dem Fahrrad. Sein Rad habe ihn an den Baikalsee begleitet und auf einer 8000 Kilometer langen Fahrradtour durch Malaysia und Neuseeland treue Dienste geleistet. Acht Monate sei Jäckel, der sich selbst als Abenteurer bezeichnet, von seiner Frau getrennt gewesen, die dem Fahrradfahren nicht so viel abgewinnen könne. Jäckel kommt bei der Erzählung seiner Auslandstouren ins Schwärmen: „Ich mag es, mich mit den Leuten dort zu unterhalten.“ Das sei der Grund, weshalb er gerne alleine unterwegs sei um mit Einheimischen in Kontakt zu kommen. „Manchmal endet das sogar mit einer Übernachtung“, berichtet er lachend. Bei Tagesetappen von 100 Kilometern ohne Elektroantrieb mit einem Zelt auf dem Gepäckträger werden ebenbürtige Mitstreiter für den 79-jährigen sowieso rar.

Verdiente Mittagseinkehr im Naturfreundehaus

Über den Eltinger Blick geht es hinunter zum Renninger See und anschließend zur verdienten Mittagspause ins Naturfreundehaus Wanne. Letzte Wasserstation der Tour ist der Hardtwaldsee im Wasserbachtal beim Bahnhof Rutesheim. Hier sei früher auf tagelangen Treibjagden von Ludwigsburg und Calw aus das Wild ins Wasser getrieben worden, „damit die Blaublüter“, so Jäckel, „die Tiere vom Ruderboot aus töten konnten.“ Für das Gemetzel habe man Kessel mit Schnüren gespannt, an denen mit Terpentin getränkte Lappen hingen. „Daher stammt der Begriff, durch die Lappen gehen, wenn ein Stück Wild doch entkommen konnte“, erzählt Jäckel seinen Begleitern.

An der Fliegerschenke in Malmsheim ist Schluss und damit geht eine Tradition im Terminkalender der Ortgruppe Renningen-Rutesheim-Magstadt des Allgemeinen Fahrradclubs Deutschland (ADFC) zu Ende. „Ich habe mir die Tour damals ausgedacht, weil es ja relativ wenige Gewässer hier gibt, dann 15 mal geführt. 15 Jahre sind meine persönliche Schallmauer und schließlich soll man auch aufhören, wenn es am schönsten ist“, meint der Radabenteurer ohne Wehmut.

Neue Ziele warten sicher schon im Navi des umtriebigen Radlers, der sich aktiv mit dem örtlichen ADFC für den Radwegebau um Renningen einsetzt, nur darauf entdeckt zu werden.