Auf dem Friedhof wird eine griechisch-orthodoxe Kirche eingeweiht, die zur Andacht für alle geöffnet ist.

Rutesheim - Die kleine Kapelle mit roten Dachziegeln, Säulen, Glockenturm, Kuppel und byzantinischer Schrift steht im vorderen Bereich des Friedhofs unter schlanken, grünen Birken. Festlich gekleidete Menschen nähern sich auf den schmalen Wegen, denn hier geht am Samstag ein Herzenswunsch der griechischen Mitbürger in Rutesheim in Erfüllung: Eine kleine griechisch-orthodoxe Kapelle zur Einkehr und zum Gebet wird eingeweiht – ein kleines Stück Heimat und Identität.

 

Der Kassenwart des griechischen Elternvereins Fotios Tsifotidis blickt in seiner Begrüßung der etwa 150 Gäste noch einmal zurück. Nach ersten Gesprächen im Rathaus ging alles ganz schnell: Für die Option, die Kapelle auf dem Friedhof zu errichten, habe der geschützte Bereich gesprochen, die parkähnliche harmonische Umgebung und die leichte Zugänglichkeit. Nach der Zustimmung von anderen örtlichen Kirchenvertretern und des Gemeinderates wurde die Kapelle in Fertigbauweise erstellt. Fotios Tsifotidis dankt dem Ersten Beigeordneten Martin Killinger für sein Engagement und dem Gemeinderat für seine Zustimmung und die großzügige Förderung mit 4500 Euro. Bürgermeisterin Susanne Widmaier freut sich, dass sie so etwas Außergewöhnliches erleben darf und die „liebevoll gemachte Kapelle“ für alle offen ist. In Rutesheim, berichtet sie, leben 320 Griechen – die größte Migrantengruppe, gefolgt von 250 Italienern und 200 Türken. Sie alle, hebt sie hervor, leben in gegenseitigem Respekt. Sie hat als Einweihungsgeschenk einen Scheck dabei.

Den Verein gibt es seit mehreren Jahrzehnten

Ein griechischer Klostervorsteher und Theologe mit langem Bart und zylinderförmiger Kopfbedeckung in schwarzem Ornat, der mit „Ephraim“ angesprochen wird, begrüßt die Gäste englisch und betont, er spreche in der „Language of Love“. Auf Byzantinisch liest und singt er aus seinem Gebetbuch Texte, die speziell für Einweihungen vorgesehen sind. In einem alten orthodoxen Gebet heißt es: „Verleihe, o Herr, dass die Ohren, die deinen Lobpreis gehört haben, verschlossen seien für die Stimme des Streites und Unfriedens.“

Weihrauch als „Duft des Himmels“ verströmt aus einem kleinen Gefäß, und Weihwasser steht bereit. Ein Kreuz und frisches Basilikum werden ins Weihwasser getaucht. Mit dem duftenden Basilikumsträußchen werden die Gäste besprengt und die Kapelle zum „ehrwürdigen Gebetsort des Heiligen Geistes“ geweiht – so die deutsche Übersetzung der byzantinischen Inschrift. Nach dem christlichen Glaubensbekenntnis schneiden der Priester und Susanne Widmaier gemeinsam das blaue Band am Eingang der Kapelle durch. In der Ikonostase, einer Art Altarraum, sind Ikonen aufgestellt Das Blattgold auf den Bildern symbolisiert dabei das „göttliche Licht“. Der Besucher kann hier Andacht halten und eine Kerze anzünden.

Susanne Widmaier freut sich über einen sommerlichen Blumenstrauß, Martin Killinger und die Vertreter der anderen örtlichen Kirchen erhalten ein „Kandili“, eine Art ewiges Licht in einem blauen Gefäß, wie es auch in privaten Räumen oft zu finden ist. Inge Burst vom Kulturforum Rutesheim erzählt, wie Anfang der 60er Jahre „Gastarbeiter“ nach Deutschland geholt worden sind, die 1968 auch ihre Familien nachholen durften. Als damit nicht nur die erwünschten Arbeitskräfte, sondern Menschen gekommen sind, ist der Griechische Elternverein gegründet worden. Panagiotis Georgalis habe damals eine griechische Schule gegründet, und die Sprachhilfe, so erläutert Susanne Brodesser, unterstützt heute in Kindergärten und Schulen alle Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist.

Die Rathausspitze tanzt Sirtaki

Eine spontane Tanzeinlage. Foto: privat
Nach der Einweihungszeremonie sind alle Gäste in die Eisengriffhütte eingeladen. Dort zeigen die griechischen Freunde, wie man mit Herzlichkeit, Fröhlichkeit und Lebensfreude feiert. Die griechischen Rutesheimer – so sehen sie sich selbst – bieten alles auf, was ihre heimische und die schwäbische Küche hergeben. Der Höhepunkt des gastfreundlichen Festes ist eine Vorführung der Tanzgruppe des Griechischen Elternvereins. Da hält auch Susanne Widmaier und Martin Killinger nichts mehr: Bestens gelaunt reihen sie sich ein in den Sirtaki – rechts vor, links vor und zurück, als hätten sie nie etwas anderes gemacht.