Der Obst- und Gartenbauverein will Verständnis für die Wertigkeit von Obst wecken. Dafür öffnen drei private Gärten ihre Pforten für Interessierte. Kinder können wie vor 50 Jahren selbst Saft pressen.

Rutesheim - Neulich war es mal wieder so weit, dass Hildegard Bauer die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hat. „Ein paar Kinder haben in einem Getreidefeld Fußball gespielt, und der Vater war mittendrin“, empört sie sich. Es sind Beobachtungen wie diese, die ihr zeigen, dass in weiten Teilen der Bevölkerung das Verständnis für den Wert von Arbeit in Feld und Garten abhanden gekommen ist. „Viele wissen gar nicht mehr, wie viel Mühe dahinter steckt, bis die Ware vom Feld bis in den Supermarkt gelangt“, sagt sie.

 

Genau dies ist aber auch die Motivation für sie, ihren Garten am morgigen Sonntag im Rahmen der „Gläsernen Produktion“ ab 11 Uhr zu öffnen. „Wir wollen Nähe zwischen Produzenten und Verbrauchern schaffen und zeigen, was und wie produziert wird“, erklärt Leona Irion vom Amt für Landwirtschaft und Naturschutz des Landratsamtes Böblingen, die die Gläserne Produktionsreihe organisatorisch betreut. Neben Hildegard Bauer öffnen auch Gerhard Widmaier und Michael Stefaniuc am Sonntag ihre Gärten, die Größen zwischen 6,4 und 19 Ar haben, und allesamt in den Anlagen „Im Wengert“ liegen.

Die Kinder können Saft pressen wie vor 50 Jahren

Der Obst- und Gartenbauverein (OGV) Rutesheim sorgt dafür, dass am Sonntag eine kleine Spindelpresse mit Handobstmühle bereitsteht, an der die Kinder ihren eigenen Saft pressen können. „Die Kinder müssen arbeiten, wie man es vor 50 Jahren gemacht hat“, erklärt der OGV-Vorsitzende Rolf Bäuerle. „Die Kinder sollen wieder wissen, was sie essen und trinken“, ergänzt Manfred Nuber von der Fachberatungsstelle für Obst- und Gartenbau des Landratsamtes Böblingen.

Im Namen des Landesverbands für Obstbau, Garten und Landschaft Baden-Württemberg (LOGL), der am Sonntag den „Tag der offenen Gartentür“ organisiert, bietet er Führungen von circa 30 bis 45 Minuten durch die Gärten an. „Eines der Hauptthemen werden die Frostschäden in diesem Jahr sein“, kündigt er an.

Bereits jetzt stehe fest, dass 2017 eines der schlechtesten Obstjahre seit rund 60 Jahren sei, da fast alle Obstkulturen betroffen seien. „Das Problem ist, dass es die Verbraucher nicht merken, da Supermärkte die Ware dann einfach aus anderen Ländern beziehen und die Preise dafür nicht einmal höher sind“, bedauert er. Darüber hinaus erklärt er die Schädlinge und Nützlinge, die in einem Obstgarten vorkommen und gibt Interessierten Anregungen, wie sie einen eigenen Garten anlegen können.

Es gibt Apfelsaft und natürlich auch Most

Hunger und Durst wird am Sonntag niemand leiden müssen, alle drei Gärten werden nämlich bewirtschaftet. Als Getränke werden natürlich eigener Apfelsaft, oder auch trockener und halbtrockener Most angeboten. Für das leibliche Wohl stehen selbst gebackene Kuchen und anderes Gebäck, Grillspezialitäten, aber auch Luggeleskäs-Brot bereit. Auch auf einen heißen Sommertag sind die Veranstalter bestens vorbereitet: Schattenplätze für Kinder und Erwachsene gibt es unter Schirmen, einem Pavillon oder auch unter einem der zahlreichen Bäume.

Rolf Bäuerle hofft, dass es nach dem Sonntag vielen Kindern so geht wie einem ihm bekannten Jungen, der sich bei einem Fest eines befreundeten Vereins zunächst weigerte, den naturtrüben Apfelsaft zu trinken, weil dieser ja „dreckig“ sei. „Als ihn sein Opa doch noch überreden konnte, kam er am Abend nach Hause und sagte zu seiner Mama, sie könne den klaren Apfelsaft wegschütten, der sei viel schlechter.“

Informationen und Anfahrtsbeschreibung

Anfahrt zu den Gärten
Besucher folgen der Kreisstraße K 1017 (Heimerdinger Straße in Rutesheim) in Richtung Heimerdingen. Nach dem Kreisverkehr befinden sich die drei zugänglichen Gärten etwa 1,5 Kilometer später auf der rechten Seite, kurz bevor der Wald beginnt. Vom Kreisverkehr an ist die Strecke ausgeschildert. Parkplätze für Autos gibt es auf dem Forchenwald-Parkplatz (ebenfalls ausgeschildert).

Gläserne Produktion
Die Gläserne Produktion ist eine Aktion der Landwirtschaftsverwaltung in Baden-Württemberg, bei der Betriebe Einblick in ihre Arbeit und in die Herstellungsabläufe in der heimischen Land- und Ernährungswirtschaft vom Acker bis zur Ladentheke geben. Die Aktion gibt es seit 1991. Die Tage der offenen Tür gibt es in der Regel zwischen Ende April und Anfang Dezember. Der Kreis Böblingen gehört zu denen mit der größten Anzahl an teilnehmenden Betrieben.