Vor allem Kunden nutzen die Chance, den Geflügelhof von Dieter Müller zu besichtigen. Tote Tiere gibt es nicht zu sehen. Aber einen Stall mit 650 Hennen. Unterdessen nimmt die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Gerlingen - Warum dürfen wir nicht auch den anderen Stall sehen“, fragt ein Mann aufgebracht. Er stammt aus Gerlingen und will nicht nur den Hühnerstall begutachten, den Dieter Müller in Absprache mit dem Veterinäramt am Samstag zur Besichtigung geöffnet hat. Der Mann bezweifelt, dass man wirklich alles sieht. Aber betreten lässt sich selbst der freigegebene 55 Quadratmeter große Raum mit den schmalen Fensterschlitzen nicht. Das würde die Hühner verschrecken und – das ist die viel größere Gefahr – die Legehennen möglicherweise mit einer Krankheit anstecken. Mit Salmonellen etwa.

 

Die Besucher müssen deshalb über eine Matte laufen, die mit Desinfektionsmittel getränkt ist. Danach stehen sie in dem 33 Quadratmeter großen Scharrraum und können in den eigentlichen Stall schauen. Der „Wintergarten“ genannte Scharrraum steht sonst den Hühnern zur Verfügung. Macht also zusammen 88 Quadratmeter für 650 Hühner. Drei solcher Trakte sind in diesem Stallgebäude untergebracht, aus zwei Ställen besteht Müllers Hof.

Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft

Dass der Gerlinger Landwirt trotz Hygienebedenken das Wagnis auf sich nimmt, Fremde auf seinen Hof einzuladen, hat seinen Grund. Die Stuttgarter Zeitung hatte nach gemeinsamen Recherchen mit der Tierrechtsorganisation Peta von unhaltbaren Zuständen in seinen Ställen berichtet. So lagen zwischen den Legehennen an die 60 zum Teil bereits verweste Kadaver. Müller bezweifelt die Echtheit der Fotos. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat am Freitag bestätigt, ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz aufgenommen zu haben. Es sei eine Anzeige eingegangen. „Wir stehen ganz am Anfang“, sagt Claudia Krauth, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Müller selbst will abwarten, bis ein Ergebnis vorliegt.

Er geht stattdessen in die Offensive und hat den Tag der offenen Tür auf dem Hühnerhof organisiert. Er sagt: „Ich habe nichts zu verbergen.“ Unterstützt wird er an diesem Tag von einem Vertreter der Firma, die ihm die 18 Wochen alten Junghennen liefert. Auch ein Landwirt aus der Gegend ist gekommen, der Kreisbauernverbandsvorsitzende Eberhard Zucker ist unter den Gästen. Aber vor allem stehen langjährige Konsumenten der Müller’schen Eier im Stall. Fast alle sind beunruhigt durch die Nachrichten. „Ich habe meine Eier immer im Hofladen gekauft und werde sie auch weiter dort kaufen“, sagt eine Frau trotzig. Eine andere will sichtlich beruhigt werden. Und alle Besucher wollen sich selbst ein Bild machen. Sie sehen einen Stall, in dem die Hühner auf und ab laufen und neugierig durch die geöffnete Tür in Richtung Licht schauen. Tote oder gar verweste Tiere erblicken die Gäste an diesem Tag nicht. Damit sich die Hennen nicht gegenseitig verletzen, sind ihre Schnäbel gekürzt. Manchmal versucht eines der Tiere, ins Freie zu flattern. Müller greift es dann. Eine Besucherin streichelt ein Huhn, bevor Müller es zurück zu den anderen auf den Boden setzt. Dieser besteht aus einem hellen Gitterrost aus Plastik, an der Längsseite des Raumes sind die sogenannten Familiennester zu finden. Durch ein kreisrundes Loch können die Hennen in einen abgedunkelten Bereich gelangen. Nur dort legen sie ihre Eier. „Braune Hühner legen braune Eier, weiße Hühner weiße.“ Müller beantwortet geduldig alle Fragen. Offenheit ist für ihn das Gebot des Tages. Im Packraum zeigt er die Sortiermaschine, welche die Eier durchlaufen. Dort werden sie auch gestempelt und bekommen eine „2“ . Die Zahl steht für Bodenhaltung, wie Müller sie betreibt. Die Tiere müssen sich dafür frei bewegen können.