Ivana Maslov verfolgt die Spiele ihres Bruders Mario Mandzukic bei der Weltmeisterschaft in Russland am liebsten zu Hause. Gefeiert wird die kroatische Nationalmannschaft in Stuttgart auf der Theodor-Heuss-Straße in Stuttgart.

Ditzingen - Mario Mandzukic. Der Name des Nationalspielers ist in aller Munde. Er trägt bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland gerade große Stücke dazu bei, kroatische Fußballgeschichte zu schreiben. Der 32-jährige Stürmer hat im Achtelfinale gegen Dänemark mit seinem Treffer zum 1:1 die Kroaten im Rennen gehalten – Sieg nach Elfmeterschießen. Auch im Viertelfinale gegen Russland – Sieg nach Elfmeterschießen. Und dann das Halbfinale am Mittwoch gegen die Engländer. Mandzukic schießt in der Verlängerung das 2:1. Kroatien steht Kopf – und am Sonntag im Endspiel gegen Frankreich. Emotionen pur.

 

Die vergangenen Wochen waren vor allem für die vier Jahre ältere Schwester von Mario Mandzukic, Ivana Maslov das größte Wechselbad der Gefühle. „Ich bin total durcheinander , wir haben zuletzt vor lauter Aufregung kaum geschlafen und kaum gegessen, haben eigentlich nur gefeiert“, sagt die 36-Jährige, die mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Ditzingen lebt. Ein Spiel der WM hat sie sich beim Public Viewing auf der Theodor-Heuss-Straße in Stuttgart angeschaut, zusammen mit mehreren tausend kroatischen Fans. „Da habe ich von dem Spiel so gut wie gar nichts mitbekommen“, sagt Maslov. Deshalb hat sie ihre Taktik geändert. „Am liebsten schaue ich alleine zu Hause und gehe danach feiern.“ Sie möchte alle Szenen der kroatischen Partien in Ruhe verfolgen. „Ich will genau sehen, wie es Mario geht, wenn er gefoult wird, merke ich an seinem Gesichtsausdruck, ob er Schmerzen hat, da leide ich richtig mit.“ Die große Schwester eben.

Allerdings habe sie von der ersten Hälfte des Halbfinals, als England bereits nach fünf Minuten das Führungstor erzielte, kaum etwas mitbekommen. „Wenn’s spannend wird, muss ich aus dem Zimmer, das halte ich nervlich nicht aus.“ Aus diesem Grund hat sie sich auch entschieden, nicht nach Russland zu reisen. „Die Stimmung mitzuerleben wäre zwar bombastisch, aber für mich ist das zuviel Adrenalin.“ In der Regel schaut sich Schwester Ivana die Spiele ihres Bruders am nächsten Tag noch einmal in aller Ruhe an. Gegen England hatte sie eine Vorahnung. „Ich habe zu meinen Freundinnen gesagt, dass Mario in der Verlängerung das entscheidende Tor machen wird, das habe ich gespürt.“

Die Geschichte der Familie Mandzukic ist bekannt. Sie wurde schon oft hoch- und runtergeschrieben. 1992 kamen die Eltern mit ihren beiden kleinen Kindern Ivana und Mario als Kriegsflüchtlinge nach Ditzingen. Sie bauten sich in vier Jahren ein neues Leben auf. Der sechsjährige Mario lernte bei den TSF Ditzingen das Fußballspielen, kristallisierte sich schnell als Talent heraus. Er fand dort neue Freunde und lernte in kürzester Zeit die deutsche Sprache. „Wir wollten bleiben“, sagt Ivana Maslov. Sie erinnert sich genau an diese Zeit. Denn nach vier Jahren lief die Aufenthaltsgenehmigung ab und die Familie musste wieder zurück in die Heimat, nach Slavonski Brod. „Das war hart, und es gab viele Tränen.“ Sie selbst kehrte später, im Jahr 2007, nach Ditzingen zurück, heiratete ihren Jugendfreund Srecko Maslov, der kroatische Wurzeln hat und in der kleinen schwäbischen Stadt aufgewachsen ist. Der Kontakt sei nie abgebrochen, aus Freundschaft war Liebe geworden.

„Unsere Geschichte, die auch eine sehr traurige ist, trägt mein Bruder in sich. Die schlimmen Kriegserlebnisse, die zweimalige Flucht aus der Heimat, am Ende hat ihn das alles stärker gemacht. Wer weiß, wie es gelaufen wäre, wenn er früher bessere Möglichkeiten gehabt hätte.“ Mario Mandzukic besuchte das Fußballinternat in Zagreb. Auch dort bestach er mit seinem Talent. „Allerdings war er als Stürmer zu klein für die U 16-Nationalmannschaft“, erzählt die Schwester. Was ihn nicht davon abhielt, die Profilaufbahn einzuschlagen. Mandzukic hat das Kämpfen gelernt. Seine weiteren Stationen sind bekannt: Dinamo Zagreb, VfL Wolfsburg, FC Bayern München, Atlético Madrid, Juventus Turin. Und immer wieder kehrt er nach Ditzingen zurück, besucht die Familie seiner Schwester. Möglichst unauffällig. „Das letzte Mal war er vor der WM hier.“ Zur Freude seines Neffen Marino. Der Zehnjährige kickt in der D-Jugend bei den TSF Ditzingen, eifert seinem Onkel nach und wird von Vater Srecko Maslov trainiert. „Marino sieht nicht den großen Star, sondern ist einfach nur stolz auf seinen Onkel Mario“, erzählt die Mutter. Am Tag nach dem England-Spiel ist er selbstverständlich mit seinem Mandzukic-Trikot zur Schule gegangen. „Er erzählt aber nur etwas, wenn er gefragt wird, wir sind alle eher bescheiden und auf dem Boden geblieben“, sagt Ivana Maslov.

Verbunden ist der Fußball-Star nach wie vor mit den TSF Ditzingen. Marcel Dußling, der in den fußballerischen TSF-Glanzzeiten der 1990er Jahre stellvertretender Abteilungsleiter war (aktuell ist er für die Pressearbeit der SKV Rutesheim zuständig) hat einige Trikots von Mandzukic zu Hause. Dort lagern die Schätze, die er im virtuellen TSF-Museum der Öffentlichkeit zugänglich macht (www.tsf-museum.de). „Mario denkt gerne an die Zeit in Ditzingen, auch wenn er damals noch sehr klein war, erinnert er sich an alles“, sagt Schwester Ivana. Und sie weiß auch, dass er gerne seine Profilaufbahn in Deutschland beenden möchte. „Am liebsten bei den Bayern oder noch besser in Stuttgart, dann wäre er ganz in der Nähe, doch der VfB hat ihm noch nie ein Angebot gemacht.“

Das WM-Endspiel am Sonntag gegen Frankreich schaut sich Ivana Maslov im Kreise der Verwandtschaft in Zagreb an. Dort will sie ihren Bruder nach der Weltmeisterschaft in Empfang nehmen – und das hoffentlich als Weltmeister. „Und wenn wir Vize-Weltmeister werden, ist das auch ein toller Erfolg, der richtig gefeiert wird.“