Gutachter haben keine erhöhte Radioaktivität auf der Deponie Froschgraben gemessen. Eine Veranstaltung zum geplanten Transport von Schutt aus Neckarwestheim gerät trotzdem zum offenen Schlagabtausch

Schwieberdingen - Lange hat Rainer Haas geschwiegen. Während um ihn herum seit Monaten die Debatte über die geplante Deponierung von Bauschutt aus dem Kernkraftwerk Neckarwestheim tobt, wollte der Ludwigsburger Landrat mit seiner Meinung stets abwarten, bis neue Gutachten auf dem Tisch liegen. Am Donnerstagabend war es soweit, vor gut 400 Zuschauern in der Schwieberdinger Festhalle.

 

Er sehe keine Alternative dazu, den schwach strahlenden Abfall auf den Deponien in Schwieberdingen und Vaihingen anzunehmen, meinte Haas. Zu dem ABend hatte der Schwieberdinger Bürgermeister Nico Lauxmann eingeladen. Und Haas fügt hinzu: „Den schwarzen Peter anderen zuzuschieben, ist keine seriöse Position.“

Damit stellte sich der Landrat gegen Stimmen, die genau diese Möglichkeit ins Spiel gebracht hatten – zuletzt vor allem die Kreistagsfraktionen von Freien Wählern, FDP und der Linkspartei. Sie haben angeregt, das so genannte „freigemessene“ Material, dessen Strahlung unterhalb des Grenzwertes von zehn Mikrosievert pro Jahr liegt, besser in einem Salzstock einzubunkern. Auch die Front der Amtsträger, die sich gegen einen Transport in den Landkreis stellt, wuchs in den vergangenen Wochen: Neben dem Schwieberdinger Bürgermeister und seinem Gemeinderat lehnen inzwischen auch die Räte in Markgröningen und der Vaihinger Oberbürgermeister Gerd Maisch den Schutt ab.

Die Sorgen vor Ort sind groß, die Ängste auch

Haas verwies am Donnerstagabend, genau wie der Abteilungsleiter für Strahlenschutz im Umweltministerium, Gerrit Niehaus, auf die Gesetzeslage: Da Teile des Kernkraftwerkes im Kreis Ludwigsburg liegen, sei der Kreis letztlich auch für die Entsorgung des Materials verantwortlich. „Wir können nur den Schutt von außerhalb des Kreises ablehnen – und das werden wir auch“, sagte Haas.

Bei der Veranstaltung wurde einmal mehr deutlich, wie sehr das Thema viele Bürger inzwischen bewegt. Emotionale Zwischenrufe wechselten sich ab mit teils höhnischem Gelächter, die Bürgerinitiative „Froschgraben freigemessenen“ übergab eine Liste mit mehr als 5000 Unterschriften gegen die geplante Deponierung. Überwiegender Tenor einer Fragerunde: Der Schutt soll bleiben, wo er ist – auf dem Kraftwerksgelände in Neckarwestheim.

Das fordert auch die Bürgerinitiative. Aus Sicht von Niehaus und Haas ist das keine Option. „Sie können mit ihrem Müll daheim auch nicht machen, was sie wollen“, sagte Niehaus, der das Ministerium von Franz Untersteller (Grüne) vertrat.

Gutachten zeigt keine erhöhte Strahlung

Debattiert wurde in der Festhalle aber nicht nur über den Müll, der vom kommenden Jahr an abgelagert soll, sondern auch über den, der schon da ist: Rund 190 Tonnen schwach strahlenden Schutts aus dem Abriss der Wiederaufbereitungsanlage in Karlsruhe liegen bereits unter der Schwieberdinger Erde. Angekommen ist das Material zwischen 2007 und 2015 – ohne sein Wissen, wie der Landrat Haas betonte. Rechtlich sei das legal gewesen, doch „das hätte nicht passieren dürfen“, meinte Haas. In einer Krise stecke die Abfallverwertungsgesellschaft des Landkreises (AVL) aber keineswegs: „Die AVL ist ein zuverlässiges Unternehmen.“

Als Beleg führte der Landrat ein am Donnerstag veröffentlichtes Gutachten an: Das Darmstädter Öko-Institut ist beauftragt worden, die Strahlung auf der Schwieberdinger Deponie zu messen. Geprüft wurde die Arbeit der Strahlenexperten von einem weiteren Gutachten, das die Gemeinde bezahlt. Ergebnis beider Papiere: Die Strahlung auf der Halde ist durch den Karlsruher Schutt nicht gestiegen. Im Vergleich zu Messsonden auf dem Marktplatz stellten jene auf der Deponie sogar geringere Werte fest. „Solange wir solche Ergebnisse haben, muss es keine Bedenken geben“, meinte Haas. Eine Einschätzung, die am Donnerstagabend nicht alle teilten.