Junge Flüchtlinge verzichten freiwillig auf Freizeit, um mehr über Deutschland und die Sprache zu lernen.

Altkreis - Urlaub, Freibad, Spielen, Faulenzen: Bis zum Ende der Sommerferien und dem ersten Klingeln der Schulglocke ist das wohl die Hauptbeschäftigung vieler Jugendlicher. Eine Gruppe junger Flüchtlinge aus dem Altkreis Leonberg, alle zwischen 16 und 20 Jahre alt, hat sich jedoch entschieden, nicht die Füße hochzulegen und in den Ferien noch mal so richtig ranzuklotzen. Auf ihre Initiative hin kam ein Kurs zustande, in dem sie ihre Sprachkenntnisse intensivieren und Deutschland besser kennenlernen können. Eine Exkursion führte sie am Dienstag in die Räume der Leonberger Kreiszeitung, wo sie vom Redaktionsleiter Thomas Slotwinski einen Einblick bekamen, wie so eine Tageszeitung eigentlich entsteht.

 

„Wisst ihr, was in drei Wochen passiert?“, fragt der Redaktionsleiter in die Runde. Bei den meisten fragendes Schulterzucken. „Dann wird bei uns gewählt.“ Deutschland wähle am 24. September seine neue Regierung, an deren Spitze nicht, wie in anderen Ländern, ein Präsident steht, sondern ein Bundeskanzler. Thomas Slotwinski erklärt es ruhig und in klaren Worten. Denn die jungen Menschen, die vor ihm sitzen, leben gerade einmal zwei Jahre hier, manche noch nicht mal ein Jahr. Trotzdem sind alle Bestandteile des Kurses in deutscher Sprache – damit die Jugendlichen möglichst viel lernen.

Worum geht’s bei einer Zeitung?

„Und in Leonberg wird außerdem der Oberbürgermeister gewählt – das ist wie der Präsident einer Stadt“, erklärt er weiter. Und damit ist er auch schon beim Kern der Sache: Worüber schreibt eine Lokalzeitung, was ist wichtig, worauf müssen die Redakteure achten? „Unsere Aufgabe ist es, zu informieren, wir geben Informationen, die Menschen brauchen, um zum Beispiel bei der Wahl eine Entscheidung treffen zu können: Wofür steht Kandidat eins, Kandidat zwei, Kandidat drei?“ Zwei Schüler schreiben fleißig mit, sie müssen im Anschluss einen Bericht über den Ausflug verfassen – natürlich auch auf deutsch. Andere haben Fragen: „Wie wird man eigentlich Journalist?“, will eine junge Frau wissen.

„Ich finde es ganz toll, dass es junge Leute gibt, die sagen: Ich will was lernen, auch in den Ferien“, sagt die Koordinatorin des Kurses, Ursula Duppel-Breth. Mehr als ein Dutzend Schüler einer so genannten VABO-Klasse (Vorqualifizierung Arbeit und Beruf ohne Deutschkenntnisse) am Berufsschulzentrum Leonberg äußerten Interesse an einem entsprechenden Lehrgang. Ganz so unkompliziert war das allerdings nicht – immerhin sind Ferien, da ist eigentlich kein Unterricht vorgesehen, und Räume stehen in der Berufsschule auch nicht zur Verfügung. Dank Ursula Duppel-Breth als Vertreterin des „Senioren-Experten-Service“ und der Unterstützung anderer Einrichtungen kam der Kurs letztlich doch zustande. Träger der Aktion ist das Waldhaus Hildrizhausen, eine Einrichtung der Jugendhilfe, wo auch der Unterricht stattfindet. „Einen Teil des Kurses zahlen die Teilnehmer außerdem aus eigener Tasche“, berichtet Duppel-Breth.

Lernen, wie „die Deutschen ticken“

„Das Ziel ist es, dass sie die Sprache schneller lernen und durch die Exkursionen erleben, wie ,die Deutschen ticken’“, erklärt sie. Ein Ausflug führte sie zum Beispiel zu Daimler, einer zum Haus der Geschichte, ein anderer zum CVJM Perouse, wo die Jugendlichen eine Veranstaltung mit selbst gebackenem Kuchen bewirtet haben. „Daraus hat sich schon Schönes entwickelt“, erzählt Ursula Duppel-Breth. „Einer der Jungs hat Kontakte geknüpft zu einem Schach-Club“, berichtet sie begeistert. Und vom CVJM gab es auch schon eine Einladung – zum Fußballspielen.