Der Psychiater hält den angeklagten Feuerwehrmann für voll zurechnungsfähig.

Stuttgart/Rutesheim - Im Prozess gegen den 36 Jahre alten Rutesheimer, der sich wegen versuchten Mordes, Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung verantworten muss, schloss der psychiatrische Sachverständige eine verminderte Schuldfähigkeit aus. „Selbst wenn man von einer Alkoholsucht ausgehen würde, wäre diese nicht schlimm genug für eine schwere seelische Abartigkeit“, sagte er in der Verhandlung am Stuttgarter Landgericht. Grundsätzlich reiche die Mischung aus Alkohol und Kokain in Verbindung mit Ehefrust aus, um die Hemmschwelle für Brandstiftungen zu senken. Aber in diesem Fall sah er keine „schuldmindernde Relevanz“. „Nach den Taten war er ja auch in der Lage, bei den Löscharbeiten mitzuhelfen“, sagte er.

 

Ob der Angeklagte Alkohol und Drogen stark zugeneigt ist, wie er das vor Gericht angab, konnte der Psychiater aber nicht komplett verneinen. Eine entnommene Blutprobe gab zwar keine Hinweise darauf. „Die junge Männerleber ist aber belastbar“, sagte er. Laut einem Sachverständigen vom Landeskriminalamt konnten auch bei dem Brand in einer Scheune nahe der Flachter Straße, deren Eigentümer eine Erbengemeinschaft war, ein Blitzeinschlag, technische Ursachen oder eine Selbstentzündung ausgeschlossen werden, weshalb nur eine Brandstiftung in Frage kam.

Katastrophe gerade noch verhindert

Nur dank der schnellen Arbeit der Feuerwehr war es im November vor einem Jahr nicht zu einer Katastrophe in der Rutesheimer Ortsmitte gekommen – diese wurde von einem aufmerksamen Bürger alarmiert, der auch die Anwohner warnte. Es hatte nicht viel gefehlt, und die Flammen hätten auf die benachbarte Scheune und die umliegenden Wohnhäuser übergegriffen. Die Wehrleute hatten dies aber mit einer speziellen Technik verhindert und einen Wasserriegel aufgezogen, der die brennende Scheune und das Nachbargebäude von einander trennte. Durch die starke Hitze waren in den evakuierten Gebäuden allerdings Rollläden geschmolzen und Fensterscheiben gesprungen. Der Sachaden lag bei rund 50 000 Euro.

Der Rutesheimer streitet es ab, die Scheune angezündet zu haben. Allerdings ergab eine Funkzellenauswertung, dass sein Handy zum Tatzeitpunkt in einer Funkzelle nahe des Tatortes eingebucht war, sagte der Kriminalhauptkommissar. Damals hatte er einen befreundeten Miteigentümer bei der Polizei angeschwärzt. Begründung: Der Mann habe auf einer Halloween-Party mit einem Feuerzeug hantiert und im Scherz gesagt: „Es wird Zeit für bisschen Action im Kaff“, wie dessen Ehefrau im Prozess sagte. Diese hatte auch erzählt, dass der Angeklagte immer seinen Funkrufempfänger ausgeschaltet hatte, wenn er bei ihnen war, weil er „keinen Bock hatte, bei einem Alarm auszurücken.“

Das Urteil soll am kommenden Donnerstag fallen

Der 36-Jährige will auch nicht für die beiden Brände in einem mehrstöckigen Haus in der Pforzheimer Straße verantwortlich sein – der von Eheproblemen geplagte Mann hatte lediglich eingeräumt, Feuer in einem Geräteschuppen und einem Müllhäuschen unter Einfluss von Alkohol und Drogen gelegt zu haben. In den vergangenen eineinhalb Jahren gab es insgesamt 13 Brände in Rutesheim. Die fünfköpfige Sonderermittlungsgruppe „Florian“ sollte diese aufklären. Das frühere Mitglied der freiwilligen Feuerwehr war nach einem Hinweis seiner Ehefrau in den Fokus der Polizei geraten – diese konnte ihm letztlich fünf Brandstiftungen zuordnen.

Der bei Berlin aufgewachsene und seit 2007 in Rutesheim lebende Mann ist kein unbeschriebenes Blatt: Sein Vorstrafenregister listete zwei Diebstähle auf, einer mit Waffen. In beiden Fällen wurde er zu Freiheitsstrafen verurteilt, die zu Bewährung ausgesetzt wurden. In dem Prozess vor der 9. Schwurgerichtskammer werden am kommenden Dienstag die Plädoyers gehalten. Das Urteil wird für den darauffolgenden Donnerstag erwartet.