Die neue Dauerausstellung zeichnet ein modernes Bild des Dichters.

Leonberg - Das Beste kommt immer zum Schluss. Dass das auch für die Eröffnung der Dauerausstellung zum Warmbronner Dichter Christian Wagner gelten würde, hätte sich Professor Axel Kuhn wohl kaum träumen lassen. Im Anschluss an seine Einführung in die neu konzipierte Dauerausstellung, steht im Publikum ein Nachfahre Christian Wagners auf: Aus Winterthur angereist ist ein Urenkel des Dichters zusammen mit seiner Schwester Rosa. Sie sind die Kinder von Wagners Tochter Luise, die in der Schweiz lebte.

 

Aus einer unscheinbaren Plastiktüte packt Jakob Gysi etliche Schätze aus: Gedichtbände von Hermann Hesse, die Christian Wagner mit einer Widmung versehen seiner Tochter Luise zur Hochzeit geschenkt hatte. Außerdem im Gepäck hat er Ansichtskarten von Wagner an seine Tochter, zahlreiche Fotos, Zeitungsausschnitte und eine gerahmte Bleistiftzeichnung mit einem Porträt des Dichters.

„Daheim in der Stube hing immer ein Porträt von einem alten Mann mit einem seltsamen Backenbart“, erinnert sich Gysi an seine Kindheit. Auch diese Zeichnung überreicht er dem sichtlich gerührten zweiten Vorsitzenden der Christian-Wagner-Stiftung, Professor Axel Kuhn, für die Sammlung.

Ansichtskarten im Gepäck

Vor einhundert Jahren starb der Dichter Christian Wagner, der von 1835 bis 1918 in Warmbronn lebte. Im Jahr 1983 wurde zum Gedenken und in Würdigung seines Wirkens die erste Dauerausstellung im Christian-Wagner-Haus eröffnet. Dank finanzieller Zuwendungen der Stadt Leonberg und mit Hilfe von Landesmitteln des Literaturarchivs in Marbach konnten zum 100. Todestag die Räume in dem Haus modernisiert und die Ausstellung komplett neu konzipiert werden.

Rund 180 Objekte sind jetzt ausgestellt, doppelt so viele wie zuvor. Zwei Drittel davon stammen aus dem eigenen Christian-Wagner-Archiv, ein Teil sind Leihgaben aus dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach und aus dem Leonberger Stadtarchiv.

Axel Kuhn als Projektleiter war es dabei wichtig, dass Wagner in einem neuen Licht gesehen wird. Kuhn will aufräumen mit der Legende vom naiven Warmbronner Bauerndichter als unverstandenem Sonderling, der sein Dorf nie verlassen habe. Die Ausstellung zeichnet jetzt vielmehr ein Bild vom reichen und erfüllten Leben Christian Wagners, der reiste, sich bildete und der sich auch durchaus selbst vermarkten konnte.

Rund 180 Objekte sind ausgestellt

Schon früh ließ er sich Visitenkarten drucken und entwarf Ansichtskarten mit Fotos aus Warmbronn und mit seinem Konterfei. Die ausgestellten Dokumente belegen, dass er je eintausend Karten drucken ließ. Fünfundzwanzig Jahre lang schrieb er zunächst Gedichte, für die sich kein Abnehmer fand. Und so ließ er 1885 eine erste Textsammlung auf eigene Kosten drucken. Die selbstfinanzierten 1000 Exemplare der ersten Auflage waren schnell verkauft, der Verleger druckte unter dem neuen Titel Sonntagsgänge 1887 die zweite Auflage. Wagner selbst schickte Gedichte an Zeitungen und Journale. Er entwickelte ein bemerkenswertes Talent, sich und sein Werk bekannt zu machen.

Die Ausstellungsräume können unabhängig voneinander besichtigt werden, jeder Raum hat einen eigenen Schwerpunkt. Im Flur geht es um Wagners Weg zu Wissen und Dichtung. Viel gelernt hat er nach eigenem Bekenntnis aus einem „Deutschen Lesebuch für untere und mittlere Classen“ von 1844, das hier ausgestellt ist. Wagner schreibt dazu: „Die einzige Quelle, aus der mir über meine ganze Jugendzeit literarischen Wissen geflossen, aus der ich den ersten Zug aus dem Becher der Dichtung trank, war ein Lesebuch für Realschulen, das mir ein Lehrer geschenkt hatte“.

Jeder Raum hat einen eigenen Schwerpunkt

Aber auch der regelmäßige Fußmarsch nach Stuttgart dient seiner Bildung. Er kann sich selbst keine Bücher leisten, sondern muss sie in der Landesbibliothek ausleihen. Die Strecke von sechzehn Kilometern geht er in drei Stunden. Auch der Schonung alles Lebendigen, Wagners zentralem Thema, ist ein Raum gewidmet. Hier zeigt er sich als Tier und Naturschützer und als ein radikaler Pazifist. In zwei Hörstationen kann man sich auch akustisch mit zahlreichen Gedichten und Texten des Warmbronner Dichters vertraut machen.