Anja Händler und Kerstin Greul wollen die TSF Ditzingen bei den Europa- und Weltmeisterschaften der Altersklasse U 17 vertreten. Das erste von insgesamt fünf Qualifikationsturnieren steht an diesem Wochenende in Solingen bevor.

Ditzingen -

 

Sportler brauchen Ziele. Und Sotschi, die russische Olympiastadt am Schwarzen Meer, ist gewiss ein schönes. Auch Verona ist eine Reise wert, nicht nur des Amphitheaters und des angeblichen Balkons von Romeo und Julia wegen. Beide Städte würden die Degenfechterinnen Anja Händler und Kerstin Greul von den TSF Ditzingen im kommenden Frühjahr gerne kennenlernen. Denn in Sotschi werden Anfang März die Europameisterschaften, in Verona einen Monat später die Weltmeisterschaften der Junioren (U 20) und Kadetten (U 17) ausgetragen. Sich dafür zu qualifizieren ist das erklärte Ziel der beiden U 17-Fechterinnen.

Während einer der unzähligen Lektionen, so nennen Fechter den regelmäßigen Einzelunterricht beim Trainer, ist die Idee entstanden, EM und WM konkret ins Visier zu nehmen. „Zoltán hat mich gefragt, was mein sportlicher Wunsch wäre“, sagt Kerstin Greul. Ihre Antwort: „Mal eine Weltmeisterschaft fechten.“ Ähnlich äußerte sich auch Anja Händler, als Trainer Zoltán Szegedi ihr die gleiche Frage stellte. Der Ungar, der selbst 1986 für sein Heimatland die Junioren-WM in Stuttgart bestritt, ist überzeugt, dass die beiden Mädchen das Zeug dazu haben. Seitdem ist deren Trainingseifer noch einmal gestiegen. Sie wären zwar nicht die ersten Ditzinger, die eine WM oder EM im Nachwuchsbereich bestreiten, das haben vor ihnen schon Samuel Unterhauser (Junioren-Weltmeister Team 2015) und Karina Mantai geschafft, jedoch beide erst nach dem Wechsel zum FC Tauberbischofsheim. Händler und Greul wären die ersten Jugendfechter, die für die TSF Ditzingen bei EM und WM antreten. „Wenn es beide schaffen, wäre das die Hälfte des deutschen Damendegen-Aufgebots“, sagt Szegedi.

Dutzende Übungsgefechte absolvieren Anja Händler und Kerstin Greul während der drei Trainingsabende jede Woche in der Ditzinger Stadthalle, hinzu kommen mindestens zwei bis drei Einzellektionen und zweimal Konditions- und Krafttraining. Denn Fechten beansprucht nicht nur den Kopf und den Arm, Fechten ist kräftezehrend. Während eines Gefechts ist der gesamte Körper ständig unter Spannung, sind die Beine unablässig in Bewegung. Und ein Turniertag kann lang sein, sehr lang.

Für das erste von fünf Qualifikationsturnieren an diesem Samstag, 21. Oktober, in Solingen sind bereits 155 Teilnehmerinnen gemeldet. Der Wettkampf wird also um 9 Uhr morgens mit einer Gruppenphase beginnen, in der sechs Gefechte auf fünf Treffer und maximal drei Minuten zu absolvieren sind. Die besten 128 dieser Vorrunde ziehen in die Direktausscheidung ein, in der die Gefechte bis zu neun Minuten dauern und 15 Treffer zum Sieg gereichen. Wer das Turnier gewinnen will, muss sieben K.o.-Gefechte für sich entscheiden und braucht auch im Finale abends um 18 Uhr noch flinke Beine, einen klaren Kopf und eine schnelle Klinge. „Es kann klappen – wenn wir auf den Turnieren unsere Leistung bringen“, sagt Kerstin Greul bereits mit Blick auf das große Ziel im Frühjahr. Am Ende der vergangenen Saison wurde sie an Nummer zwölf der deutschen U 17-Rangliste geführt, Anja Händler an zehnter Position. Doch die Qualifikation für WM und EM beginnt nun für alle bei null.

Mit sechs Jahren kam die heute 15-jährige Kerstin Greul zum ersten Mal ins Fechttraining. „Durch meine Geschwister“, so Greul, denn auch ihr älterer Bruder Simon und ihre ältere Schwester Bianca kreuzen bei den TSF Ditzingen die Klingen. Nur Markus, der Älteste der Greul-Geschwister, setzt seine sportlichen Treffer mit Pfeil und Bogen. Als ihren bisher größten Erfolg nennt Kerstin Greul den Gewinn der deutschen U 14-Meisterschaft im vergangenen Jahr.

Die heute 16-jährige Anja Händler war 2015 Deutsche Vizemeisterin der U 14, 2016 wurde sie bereits mit dem Ditzinger Aktiventeam Dritte im Deutschlandpokal, einem K.o.-Wettbewerb für Vereinsmannschaften vergleichbar dem DFB-Pokal im Fußball. Bei Händler gab der Vater den Ausschlag zum Fechten. „Ich wollte eigentlich zur Leichtathletik und Sprinterin werden, aber mein Vater hat vom Fechten in der Zeitung gelesen und vorgeschlagen, dass ich es ausprobiere.“ Das war 2011, Anja war zehn Jahre alt und wusste schon nach den ersten Übungsabenden bei der Spvgg Feuerbach: „Das ist meine Sportart.“ Nach ihrem ersten Start beim Ditzinger Young Masters wechselte die Weilimdorferin im Sommer 2012 zu den Turn- und Sportfreunden. „In Ditzingen ist einfach mehr los, es gibt mehr Trainingspartner und Unterstützung vom Verein.“

Was sich beide allerdings noch wünschen: „Ein Sponsor wäre nicht schlecht, das haben wir hier keinen“, verweist Kerstin Greul darauf, dass die Ditzinger Fechtabteilung ihren kompletten Trainings- und Turnierbetrieb allein aus Mitgliedsbeiträgen und gelegentlichen Einzelspenden bestreitet. Als Zehntklässlerin des Leonberger Albert-Schweitzer-Gymnasiums hat Kerstin Greul noch kein eigenes Einkommen, die Eltern unterstützen ihren sportlichen Ehrgeiz. Anja Händler, die in diesem Jahr in Weilimdorf die Realschule abgeschlossen und jüngst eine Ausbildung zur Arzthelferin begonnen hat, bekam zuletzt immerhin etwas Geld von einem Förderer, wovon sie in erster Linie ihre Ausrüstung in Schuss hält. Doch nun stehen die Reisen zu den Qualifikationsturnieren an. Der Weg nach Sotschi und Verona führt über Solingen (21. Oktober), Heidenheim (11. November), Friedrichshafen (26. November), Grenoble (Frankreich; 9. Dezember) und Bratislava (Slowakei; 12. Januar).