Ein Treffen mit einem kritischen Blick auf eine völlig veränderte Welt.

Leonberg - Was hat die Region Leonberg mit China oder den USA zu tun? Zumindest handelsmäßig eine ganze Menge. Denn hier, „einem der stärksten Standorte Europas“, wie es Oberbürgermeister Martin Kaufmann (SPD) euphorisch formuliert, brummt der Wirtschaftsmotor. Für die FDP Grund genug, die internationalen Verflechtungen in den Mittelpunkt ihres Neujahrsempfangs zu stellen.

 

Dafür haben die Liberalen einen echten Experten ins Stadtmuseum eingeladen: Michael Georg Link war bis zum Ende der schwarz-gelben Koalition Staatsminister im Auswärtigen Amt. Heute ist der 54-Jährige Direktor des OSZE-Büros für Demokratie und Menschenrechte in Warschau und auch wieder im Berliner Parlament.

Bevor der glühende Europa-Verfechter aus Heilbronn loslegen kann, verhehlen weder der FDP-Kreisvorsitzende Hans Dieter Scheerer, noch der Leonberger FDP-Chef Bernd Schönwald oder der Bundestagsabgeordnete Florian Toncar ihre Erleichterung, erneut in Berlin mitzumischen, wenn auch nicht in der Regierung.

Der Leonberger OB respektiert Jamaika-Ausstieg

Martin Kaufmann zeigt Respekt für den Jamaika-Ausstieg: „Besser nicht, als falsch: An dieser Aussage ist was Wahres dran“, erklärt der OB und bekräftigt sein am Altjahrabend formuliertes Ziel, dass die Stadt für preiswerten Wohnraum selbst stärker in die Tasche greifen muss. Zumindest indirekte Unterstützung bekommt er vom FDP-Stadtrat Dieter Maurmaier, der sich zur umstrittenen Wohnbebauung an der Berliner Straße bekennt. Der anwesende SPD-Fraktionschef Ottmar Pfitzenmaier wird es gerne gehört haben.

Dass lokale Aufgaben vor Ort gelöst werden müssen, bekräftigt Michael Link, der vor seiner Ministeriums-Zeit im Heilbronner Gemeinderat war. Doch die großen Probleme sieht er in einer Welt, „die wesentlich anders geworden ist“. Nur Macrons Reformkurs in Frankreich, den Link „fast revolutionär“ nennt, gebe Hoffnung. „Alles andere ist besorgniserregend.“

Keine Alleingänge mehr

Denn in vielen Staaten „hat das Recht des Stärkeren die Stärke des Rechts verdrängt.“ Beispielhaft nennt Link die Türkei, Russland und China, „das sich dramatisch verändert hat“. Bei der dort praktizierten Marktwirtschaft „geht es nur ums Geschäft.“ Der zarte Öffnungskurs von vor zehn Jahren, so hat Link beobachtet, „ist einem System gewichen, in dem die Regierung ausführendes Organ der Partei ist.“

Schlimmer noch: „China pumpt Geld in kleinere östliche Staaten, um dort an Einfluss zu gewinnen. Einfluss, den es in Afrika längst schon hat.“ Wer setzt im 21. Jahrhundert die Regeln? „Wir nicht mehr“, beantwortet Link seine Frage selbst, und meint mit „wir“ die Europäische Union.

Angesichts der globalen Umwälzungen sei jedes einzelne Land zu schwach. Nur ein starkes Europa könne den Herausforderungen aus Fernost und Trumps „America first“-Kurs begegnen. Damit Europa mit einer Stimme spricht, müsse sich jedes Land an die eigenen Regeln halten. Link hat dabei nicht nur südöstliche EU-Staaten im Blick, sondern auch Deutschland: „Alleingänge wie die Grenzöffnung für Flüchtlinge dürfen wir nicht mehr machen.“