Eine Ermittlungsgruppe soll die Hintergründe der Tumulte bei der Faschingsfeier in Ludwigsburg aufklären – dabei gerät die Polizei selbst in die Kritik.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Die Gerüchteküche brodelt – aber auch vier Tage nach den Massenprügeleien bei einer Faschingsfeier in Ludwigsburg-Neckarweihingen sind die Hintergründe noch weitgehend unklar. Das Polizeipräsidium hat jetzt eine gemeinsame Ermittlungsgruppe aus Schutz- und Kriminalpolizei eingerichtet, um Licht ins Dunkel zu bringen. Diese habe den Auftrag, „Beteiligte und Zeugen zu ermitteln sowie die Ereignisse schnell und umfassend aufzuarbeiten“, sagt der Polizeipräsident Frank Rebholz. Das ist ein klares Signal, dass auch die Polizei den Ausschreitungen von Sonntagabend inzwischen eine weitaus größere Bedeutung beimisst. Bis Donnerstag war nur der Posten in Neckarweihingen mit den Ermittlungen betraut.

 

Der Aufbau einer Ermittlungsgruppe ist offensichtlich auch eine Reaktion auf Medienberichte, wonach Polizisten beim Versuch, die Tumulte einzudämmen, deutlich überreagiert haben sollen. Dies berichtet die „Ludwigsburger Kreiszeitung“, die sich auf einen Betroffenen beruft. Dieser erklärt, die Beamten seien bei der Räumung des Platzes brutal vorgegangen, hätten unter anderem am Boden liegende Menschen mit Schlagstöcken traktiert.

Das Präsidium streitet nicht ab, dass Schlagstöcke und auch Pfefferspray zum Einsatz kamen, stellt die Situation indes gänzlich anders dar. Demnach wurden die Beamten um 20.15 Uhr in den Ortskern gerufen, weil auf einer Faschingsparty der Feuerwehr drei Personen in eine handgreifliche Auseindersetzung verstrickt waren. Als die Polizei die Kontrahenten vor dem Feuerwehr-Gerätehaus trennte, soll sich die stark alkoholisierte Menge im Umfeld solidarisiert haben. Polizisten sollen geschlagen und geschubst worden sein. „Erst unter Einsatz von zehn Streifenwagenbesatzungen konnte der Platz geräumt werden“, heißt es im offiziellen Bericht. Auch eine Hundestaffel war an dem Einsatz beteiligt.

Die Polizisten standen einem Pulk von rund 30 aggressiven Personen gegenüber

Unsere Zeitung sprach am Donnerstag mit weiteren Augenzeugen, darunter ein Mitglied des Stadtteilausschusses, das namentlich nicht genannt werden möchte. Der Mann bestätigt, dass die Polizisten „recht aggressiv auf die Leute zugegangen“ seien. „Aber das war angemessen, denn die Gegenseite war noch aggressiver.“ Er habe beobachtet, wie „Möchtegern-Supermänner Polizisten beleidigt und angepöbelt“ haben, ein junger Mann habe einen Beamten gar zu einer Schlägerei aufgefordert. „Die Polizisten haben die auf den Boden geworfen und ihnen Handschellen angelegt – ich glaube, in dem Moment blieb keine andere Wahl.“ Neun Personen, alles Deutsche, meist jünger als 30 Jahre, wurden vorläufig festgenommen. Tatsächlich, so der Zeuge, sei der Pulk größer gewesen und habe aus rund 30 Personen bestanden.

Eine zweite Zeugin berichtet, die Menge sei extrem aufgeheizt gewesen und habe den Einsatzkräften „Scheiß Bullen“ und andere Beleidigungen ins Gesicht geschrieen. „Das war wie in einem Film. Ob einzelne Polizisten überreagiert haben, weiß ich nicht – klar ist aber, dass die Gegenseite gewaltbereit war.“ Ein dritter Zeuge hingegen erklärt, dass die Beamten vulgär und unprofessionell aufgetreten seien. Sie sollen Unbeteiligte, die den Einsatz von Pfefferspray kritisierten, zur Seite gestoßen und aufgefordert haben, das „Maul zu halten“.

Das Präsidium betonte am Donnerstag erneut, dass man bestürzt sei angesichts der Aggression gegenüber der Polizei. Fünf Polizisten wurden bei dem Einsatz verletzt. „Dessen ungeachtet werden wir im Zuge der Ermittlungen auch das Verhalten der Einsatzkräfte hinterfragen und bei einem möglichen Fehlverhalten entsprechend reagieren“, sagt Rebholz.

Zeugen schildern, dass die Fußballfans sich plötzlich gegen die Polizei solidarisierten

Seit Donnerstag zeichnet sich überdies ab, dass auch Fußball-Hooligans an den Ausschreitungen beteiligt waren. Zeugen schildern, dass anfangs Mitglieder zweier verfeindeter VfB-Fanclubs aneinander geraten seien, die sich dann gemeinsam die Polizei als neuen Gegner gesucht hätten. „Ich war zu diesem Zeitpunkt nicht vor Ort, habe aber später mit vielen Leuten gesprochen“, sagt der Mann aus dem Stadtteilausschuss. Mehrere hätten ihm berichtet, dass es sich bei den Kontrahenten um Hooligans gehandelt habe. Auch die zweite Augenzeugin will mitbekommen haben, dass „das Ganze als Streit unter Fußballfans losging“. Das Präsidium kommentiert dies nicht. „Wir beteiligen uns nicht an Gerüchten“, sagt der Sprecher Peter Widenhorn. „Wir nehmen erst wieder Stellung, wenn Ermittlungsergebnisse vorliegen.“

Geklärt werden muss auch, in welchem Umfang Feuerwehrleute involviert waren. Nach Recherchen unserer Zeitung wurde auch mindestens ein Angehöriger der Feuerwehr vorläufig verhaftet. Gegen den Mann wird, wie gegen die anderen acht Festgenommenen, wegen Landfriedensbruch, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung ermittelt. Die Feuerwehr und die Ludwigsburger Stadtverwaltung wollten am Donnerstag keine Stellung zu den Ereignissen nehmen.