Reinhold Messner fasziniert in der ausverkauften Stadthalle.

Leonberg - Diese Situation wünscht sich kein Bergsteiger: An der Wand des 2907 Meter hohen Heiligkreuzkofel gibt es einen Wettersturz. Der Alpinist kann weder vor noch zurück. Verzweifelt steht er auf einem schmalen Felsvorsprung. In einem Akt der Verzweiflung wagt er den Ausbruch nach oben und rettet sein Leben.

 

Doch die Gefahr ist damit nicht vorbei. Drei Tage wütet ein Schneesturm über dem Südtiroler Berg. In einer Hütte harrt die Seilschaft aus, bis sie sich endlich wieder an den Abstieg machen kann.

Abenteuer aus erster Hand

Reinhold Messner erzählt die dramatische Situation seinem Leonberger Publikum im Plauderton. Rund 700 Menschen sind in die Stadthalle gepilgert, um die Abenteuer des Südtiroler Extrembergsteigers aus erster Hand erzählt zu bekommen.

Die schildert der mittlerweile 73-Jährige nicht nur während seiner aktuellen Deutschland-Tournee. Er hat sie auch in einem Buch niedergeschrieben, das er sinnigerweise „Überleben“ genannt hat.

Und genau darum geht es: Schon als Fünfjähriger hat er auf den um die 3000 Meter hohen Geisler Spitzen mit dem Klettern begonnen, wie alle seine Brüder auch. Damals konnt er nicht ahnen, dass er gut 20 Jahre später seinen ersten Achttausender, den Nanga Parbat, besteigen würde. Die Folge einer kontinuierlichen wie buchstäblichen Aufwärtsentwicklung. Zuvor hatte der junge Messner alle Alpen-Gipfel gestürmt und war danach in den Anden unterwegs. Angesichts dieser beachtlichen Leistungen wurde er 1970 zu einer Himalaya-Expedition eingeladen.

Im Jackett und mit Bart

Der Bergsteiger, auf der Stadthallen-Bühne im Jackett, aber nach wie vor mit seinem markanten Bart, erzählt von lebensbedrohlichen Situationen, bei denen er einen seiner Brüder verloren hat, wie andere vom Mittelmeer-Urlaub.

Doch die Auslandsreisen des bekennenden Südtirolers haben eine andere Intention: „Man muss in wildesten Landschaften bestehen. Man geht in Länder, in denen man umkommen kann, mit dem Ziel, eben nicht umzukommen.“

Je höher der Berg, desto schlechter die Bedingungen

Es ist eine Mischung aus Abenteuerlust, Neugierde und Ehrgeiz, die den Bub aus den Dolomiten antreibt. Er schildert seinem faszinierten Publikum, dass es nicht gerade ein Glücksgefühl ist, den Gipfel eines Achttausender zu erreichen: „Je höher der Berg, desto schlechter die Bedingungen. Man will nur wieder schnell herunter.“

Was Messner durchgemacht hat, ist für einen normalen Bergtouristen kaum vorstellbar: Fieberträume in 8000 Metern Höhe, faustgroße Leberabszesse, verursacht von verseuchtem Wasser, zwei Tage und zwei Nächte in den Tiefen einer Gletscherspalte. Und doch hat er es immer wieder geschafft, ist selbst nach größten Strapazen vergleichsweise schnell wieder zu Kräften gekommen.

Zu Fuß durch die Antarktis

1980 hat er den Mount Everest zum zweiten Mal geschafft. „Höher ging es nicht mehr, deshalb habe ich später das Abenteuer in der Horizontalen gesucht.“ Was nicht minder ungefährlich ist. Messner durchquert die Antarktis. 2800 Kilometer zu Fuß von Südamerika über den Südpol in Richtung Neuseeland. Er läuft 2000 Kilometer durch die Wüste Gobi und durchquert die Sahara.

So waghalsig die Strecken sind: Sie bringen dem Abenteurer Menschen und deren Kulturen näher. Messner bedankt sich für Gastfreundschaft und oft für die Rettung seines Lebens praktisch: Er lässt Krankenstationen und Schulen bauen und setzt bei moslemischen Dorfältesten durch, dass Mädchen zum Unterricht dürfen.

Am liebsten aber ist er in seiner Südtiroler Heimat. Sechs Museen hat er dort eingerichtet, für sich und seine Familie zwei Berghöfe gekauft. In den Himalaya zieht es ihn nicht mehr: zu viele Touristen.