Die Hintergründe der Schießerei vom Freitag bleiben rätselhaft. Ermittelt wird auch gegen den Kripo-Beamten, der dem Verdächtigen ins Gesicht geschossen hat. 

Steinheim - Der 53-Jährige, der am Freitagabend in Steinheim durch einen Schuss aus einer Polizeipistole lebensgefährlich verletzt wurde, muss weiter im Krankenhaus behandelt werden. Er liege auf einer Intensivstation, teilt das Ludwigsburger Polizeipräsidium mit. Aufgrund seiner Verletzungen konnte der Mann noch nicht vernommen werden. Das Projektil hatte ihn im Gesicht getroffen.

 

Inzwischen untersuchen verschiedene Dienststellen der Polizei die Details zu dem Vorfall: Laut der Ermittler soll der 53-Jährige gegen 18 Uhr zweimal auf einen 45 Jahre alten Pizzaboten gefeuert haben, der mit einer Lieferung von Marbach nach Steinheim gefahren war. Eine Kugel verletzte den Jüngeren schwer an der Hand, eine zweite verfehlte ihr Ziel. Fünf Stunden später traf den mutmaßlichen Schützen dann selbst die Polizeikugel.

Die Frage, warum der 53-Jährige die Waffe zückte, beschäftigt nicht nur die Ermittler: Er könne sich das Ganze absolut nicht erklären, sagt Pino Di Giovanna, der Inhaber der Pizzeria, für die der 45-Jährige arbeitet. Sein Mitarbeiter und der Schütze würden sich nicht kennen, es habe auch keinen verbalen Streit oder Wortwechsel zuvor gegeben, der Mann habe einfach gefeuert. „Das Motiv ist unklar“, sagt die Polizeisprecherin Tatjana Wimmer.

Laut der Polizei fuhr der Verdächtige am Freitag auf einem Motorroller hinter dem Auto des Pizzaboten her. Weil es ihm offenbar nicht schnell genug ging, bedrängte er den Vorausfahrenden. Auf der Suche nach einer Lieferadresse hielt der 45-Jährige an – und wurde von dem Steinheimer beschossen. Ob der Mann, der bisher für die Polizei ein unbeschriebenes Blatt ist, die 9-Millimeter-Pistole legal besaß, ist laut Tatjana Wimmer noch nicht geklärt.

Für den Marbacher Gastronomen Pino Di Giovanna ist das Ganze jedenfalls ein Rätsel: Sein Fahrer habe keinen Grund gehabt, langsam zu fahren – „am Freitagabend ist bei uns immer Hochbetrieb“.

Mindestens so rätselhaft wie die ersten Schüsse vom Freitag sind die Umstände der Festnahme des 53-Jährigen später in der Nacht. Kurz vor 23 Uhr begegnete der Verdächtige, nach dem mit einem Großaufgebot gesucht wurde, Beamten der Ludwigsburger Kriminalpolizei. Als diese ihn vor seinem Wohnhaus festnehmen wollten, „löste sich ein Schuss“, der den 53-Jährigen im Gesicht traf, heißt es in einer Mitteilung der Polizei. Wie genau das passierte, ob es zum Beispiel zu einem Handgemenge kam, sei nach wie vor zu ermitteln, teilen Polizei und Staatsanwaltschaft am Montag gleichlautend mit. Details könne man jedenfalls noch keine nennen.

Wie konnte sich der Schuss aus der Dienstwaffe lösen?

Dem Vernehmen nach gehen die Ermittler derzeit davon aus, dass der Beamte nicht absichtlich auf den Mann geschossen hat. Fest steht, dass der Verdächtige bei der Festnahme die Pistole, mit der er Stunden zuvor gefeuert hatte, bei sich trug – und offenbar alkoholisiert war. Die Ergebnisse eines Bluttests sollen zeigen, ob er unter dem Einfluss weiterer Drogen stand.

Untersucht werden die Einzelheiten nicht vom Ludwigsburger Polizeipräsidium, bei dem die Kripo-Beamten arbeiten. Stattdessen ermitteln die Kollegen aus Heilbronn. Das sei in solchen Fällen üblich, sagt Christoph Meyer-Manoras, Sprecher der dortigen Staatsanwaltschaft – um möglichst große Unabhängigkeit zu sichern.

In einem Fall aus Pleidelsheim vom April hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart inzwischen ihre Ermittlungen abgeschlossen – und das Verfahren eingestellt. Damals hatte ein Polizeibeamter auf einen Einbrecher geschossen und ihn derart schwer verletzt, dass dieser einige Tage später in einer Klinik starb. Die Untersuchung hätten ergeben, dass der Beamte keine Wahl hatte, sagt Jan Holzner, Sprecher der Stuttgarter Behörde: Der Einbrecher hatte zwei Polizisten mit einem Brecheisen angegriffen und einen verletzt. Ein Schuss auf die Beine sei nicht zumutbar gewesen – zu groß sei die Gefahr für die Beamten gewesen.