Mit überraschend deutlicher Mehrheit wählt der Kreistag den Engelsbrander Bürgermeister.

Enzkreis - In die Tiefen des Kommunalrechts hat sich Noch-Landrat Karl Röckinger begeben. Denn wenn sich selbst nach drei Wahlgängen ein Patt ergeben sollte, dann entscheidet das Los zwischen den beiden Bewerbern um seine Nachfolge. Mit dem SPD-Fraktionschef Hans Vester war sogar schon eine Losfee auserkoren worden.

 

Vester wurde allerdings nicht benötigt. Schon im ersten Wahlgang wählt der Kreistag Bastian Rosenau mit 36 Stimmen zum neuen Landrat des Enzkreises. Sein Konkurrent Björn-Christian Kleih bekommt nur 18 Stimmen. Dieses deutliche Ergebnis hat niemand erwartet.

Damit hat sich der Kreistag für den Lokalmatador, den Enzkreis-Routinier, Praktiker und Freien Wähler entschieden. Seit elf Jahren ist Rosenau Bürgermeister der 4000-Seelen-Gemeinde Engelsbrand im südwestlichen Enzkreis, dazu derzeit schon Kreisrat im Enzkreis. „Mit mir wählen Sie einen Verwaltungsfachmann mit Sozialkompetenz“, verspricht der 37-Jährige in seiner Bewerbungsrede – um dann weit auszuholen und seine Vision des Enzkreises im Jahre 2025 zu zeichnen.

Gesundheit und Öffentlicher Nahverkehr

„Mit autonom fahrenden Kleinbussen fahren wir dann zu unseren Gesundheitszentren“, überlegt Rosenau. Damit benennt er die beiden Themen, um die er sich in seiner Amtszeit als neuer Landrat besonders kümmern will: Gesundheit und Öffentlicher Nahverkehr. „Politische Grenzen dürfen nicht die Grenzen der Verkehrsverbünde sein.“ Rosenau meint den relativ kleinen Verkehrsverbund Pforzheim-Enzkreis, den er zu mehr Kooperationen führen will. „Mit echten Pilotprojekten können wir hier Mut beweisen“, kündigt der neue Landrat an. Herausforderungen seien aber auch die Jugend- und Seniorenarbeit. Hier schwebt ihm die Verbindung von sozialen mit gemeinnützigen und integrativen Wohnformen vor.

Mitbewerber Björn-Christian Kleih hat sich in seiner Bewerbungsrede als Kandidat von außen präsentiert. „Ich habe bislang keine Entscheidung im Enzkreis getroffen und bin nicht Teil irgendeines Netzwerks“, sagt der promovierte Jurist, der derzeit stellvertretender Landrat im Neckar-Odenwald-Kreis ist. Seine Themen – Bürgernähe, Digitalisierung, Nahverkehr und Wohnraum – wird der 38-Jährige jetzt nicht umsetzen können.

Bei der Entscheidung dürfe auch eine Rolle gespielt haben, dass Björn-Christian Kleih ein CDU-Parteibuch innehat, wobei die CDU-Kreistagsfraktion immer wieder betont hatte, Kleih nicht aktiv angeworben zu haben, obwohl sie ihn am Ende dann wohl doch größtenteils unterstützt hat. „Die Rede von Herrn Kleih fand ich sehr profund“, sagt die Heimsheimer Kreisrätin Christa Pfisterer nach der Wahl. „Aber das ist eine demokratische Wahl – wir können mit beiden sehr gut leben.“

Haushoher Sieg

Mit 17 Sitzen hatten die Freien Wähler ebenfalls nicht die erforderliche Mehrheit für ihren Kandidaten Bastian Rosenau. Seinen haushohen Sieg hat er also wohl den kleineren Parteien SPD, Grüne und FDP zu verdanken. „Ja, wir haben Herrn Rosenau mehrheitlich gewählt“, gibt SPD-Chef Hans Vester nach der Wahl unumwunden zu. „Vor allem seine persönliche Nähe zum Enzkreis finde ich sehr gut.“ Eine Rolle dürfe auch gespielt haben, dass die kleineren Parteien nach der Wahl des CDU-Manns Peter Boch zum Pforzheimer OB im Mai nicht noch einen zweiten starken CDU-Politiker in der Stadt haben wollten.

Dass Bastian Rosenau dann aber genau doppelt so viele Stimmen auf sich vereinen kann, überrascht die Kreisräte. „Nein, das hätte ich nicht erwartet“, sagt Mario Weisbrich, der nicht nur Wimsheimer Bürgermeister, sondern auch CDU-Kreisrat ist. Nahverkehr, Breitband und Digitalisierung sind auch nach seiner Einschätzung die Themen, die jetzt auf Rosenau warten.

Der neue Landrat hat übrigens Leonberger Wurzeln. Seine Großeltern kommen von dort, er bezeichnet die Stadt als seine „alte Heimat“. Geboren ist er in Ditzingen, als er ein Jahr alt war, zogen seine Eltern nach Tiefenbronn, wo er aufgewachsen ist.