Menschen mit Behinderung und professionelle Schauspieler glänzen in der Inszenierung der Theatergruppe „alledabei“.

Leonberg - Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“, fragt die böse Königin. Und der Spiegel sagt ihr offen ins Gesicht: „Schneewittchen ist tausendmal schöner, jünger und beliebter als Ihr“. So ähnlich kennen wir das Märchen der Gebrüder Grimm.

 

Doch hier, auf der Theaterbühne in der Spitalschule, ist im Handyzeitalter alles etwas anders. Schneewittchen ist auf Facebook viel, viel beliebter als die böse Stiefmutter. Die hat seit kurzem nur noch magere 723 statt Millionen Likes. Und das bedeutet, Schneewittchen muss sterben. Brillant in der Rolle des Schneewittchens ist Sandra Pregitzer. Die junge Frau mit Down-Syndrom spielt ihre Rolle selbstbewusst und mit viel Witz.

Neben den sozialen Medien und dem Jugendwahn unserer Zeit wird auch das Flüchtlingsthema im Stück aktuell. Flüchtet doch das Schneewittchen vor der bösen Stiefmutter in den Wald zu den sieben Zwergen. Anders aber als in Grimms Original, wollen die Zwerge die Fremde zunächst nicht aufnehmen. Sie müssen erst lange diskutieren, bis sie sich schließlich entscheiden, ihr Asyl zu gewähren. Die Zwerge sind eine Ansammlung von liebenswerten Individuen, jeder mit einer besonderen Begabung. Der eine ist ein Tierversteher, der andere der sportliche Akrobaticus und für Harmonica ist die Harmonie das Wichtigste.

Eine ganz besondere Inszenierung

Ausgedacht hat sich dieses etwas andere Märchen Elisabeth Kolofon von der Lebenshilfe. Sie hat den klassischen Text umgeschrieben auf die    heutige Zeit und hat     mit „Spieglein, Spieglein in der Hand“ auch für einige Lacher im voll besetzten Saal gesorgt. Unterstützt wurde sie von der Theaterpädagogin Lisa Milde und der Theaterregisseurin Annalies Müller.

Es ist auch in anderer Hinsicht eine ganz besondere Inszenierung. Auf der Bühne spielen professionelle Schauspieler gemeinsam mit behinderten jungen Menschen. Die inklusive Theatergruppe „alle-dabei“ wurde 2015 gegründet und ist eine Kooperation der Lebenshilfe Leonberg mit der Leonberger Theatergruppe „Bühne 16“.

Neben Schauspielern der Theatergruppe der Lebenshilfe Leonberg spielen erfahrene Schauspieler der im Altkreis Leonberg bekannten Laientheater. Dabei war Elisabeth Kolofon wichtig: „Es geht nicht nur um Inklusion, sondern vor allem um gute Unterhaltung des Publikums“. Das ist ihr voll und ganz gelungen. Und wie im richtigen Märchen gibt es ein Happy-End bzw. sogar zwei: Am Ende bekommt die böse Stiefmutter ihre Jugendliebe und der Jäger bringt es natürlich nicht übers Herz das Schneewittchen zu töten. Er verliebt sich in sie und sie nimmt ihn zum Mann, obwohl er kein Prinz ist.

Tolle Stimmung in 50 Minuten

Die Gäste sind begeistert und loben die tolle Stimmung, die in den gut fünfzig Minuten von der Bühne auf die Zuschauer überspringt. Auch Elisabeth Kolofon ist am Ende mehr als zufrieden mit ihrer Truppe: „Die Schauspieler haben eine enorme Spielfreude auf der Bühne gezeigt und sind heute vor dem großen Publikum richtig aufgelebt“.

So gibt es den einzigen Patzer des Abends nicht etwa auf Seiten der behinderten Menschen, die alle ihren Text gut gelernt haben, sondern unter den professionellen Schauspielern. Aber den kurzen Textaussetzer von Lothar Schubert, der den Spiegel verkörpert, nimmt ihm das Publikum nicht übel, trägt es doch zum Charme dieses Abends bei.

Ein Charme, der die Gäste bereits am Einlass erwartet hat. Dort stand als Kartenabreißer Sebastian Brunner. Der äußerst freundliche junge Mann mit Down-Syndrom schaut jedem Gast bei der Begrüßung in die Augen, entwertet in aller Ruhe die Eintrittskarte, wünscht jedem persönlich einen schönen Abend, umarmt Freunde.

Und auch wenn das etwas länger dauert, freuen sich alle über den herzlichen Empfang. Am Ende gibt es natürlich Standing Ovations für diese ungewöhnliche Inszenierung mit vielen, wirklich außergewöhnlichen Menschen.