Der EU-Kommissar Günther Oettinger redet den Bürgern auch in Ditzingen ins Gewissen: Die Europäer könnten glücklich sein.

Ditzingen - Seine Worte waren zunächst an die Ditzinger gerichtet, Günther Oettinger hat anlässlich des Festaktes 50 Jahre Stadt und 40 Jahre Große Kreisstadt schließlich vor rund 600 Menschen in der Ditzinger Stadthalle gesprochen. Aber es war, als rede ein überzeugter Europäer allen bruddligen Schwaben ins Gewissen: „Ihr könnt alle fröhlich sein. Strahlen wir bitte mehr Fröhlichkeit zu Gunsten unserer Kinder und Enkelkinder aus“, rief der EU-Kommissar er unter großem Beifall.

 

Es sei keine Zeit für enge Gedanken und kleinkrämerisches Verhalten. Die Flüchtlingswelle gen Europa, auch gen Deutschland, zeige im Wesentlichen doch, dass hier „Wohlstand, soziale Gerechtigkeit, Freizügigkeit und Demokratie herrschen“. Mit Blick auf die Vertreter der Kriegsgeneration im Saal rief er zudem den Wert des Friedens in Erinnerung: „Wir sind die glücklichste Generation, die es jemals gab.“

Oettinger verwob seine örtliche Verbundenheit – er ist in Ditzingen aufgewachsen und politisch großgeworden – mit den aktuellen Entwicklungen in Europa. So erinnerte er an Skatrunden mit den Kollegen des Gemeinderats und dessen Vorsitzenden Alfred Fögen und mahnte im Hinblick auf den Wettbewerb mit den USA und China, Europäer zu bleiben. Denn Deutschland mache demnächst nur noch ein Prozent der Weltbevölkerung aus. „Das ist an der unteren Grenze der Wahrnehmbarkeit.“

Der Brexit ist in den Reden allgegenwärtig

Im vom Sinfonieorchester der Jugendmusikschule umrahmten Festakt war zuvor auch schon der Oberbürgermeister Michael Makurath auf den Brexit und dessen Folgen eingegangen. Vor Vertretern aus Politik und Gesellschaft sowie der französischen Partnerstadt Rillieux-la-Pape sagte er: „Europa ist die überzeugendste Alternative zu allem, was vorher war.“ Es gebe keine Zeit ohne Probleme, aber zurückblicken helfe bisweilen, zu relativieren.

Makurath erinnerte an die Gemeindereform in den 1970er Jahren, ließ die Folgejahre Revue passieren und zog zugleich immer wieder Parallelen zur Gegenwart. Die Gemeindereform etwa habe Ditzingen und seine Nachbarn Hirschlanden, Schöckingen und Heimerdingen „in einer Weise herausgefordert, die wir uns heute nicht mehr vorstellen können“. Um die Dimension dieses Kraftakts zu beschreiben, zog er einen Vergleich aus der Gegenwart heran: Man stelle sich vor, die Landesregierung erkläre alle Kommunen unter 40 000 Einwohnern für nicht lebensfähig und fordere Ditzingen auf, sich mit Gerlingen zusammen zu schließen. Er würdigte die Leistung seines Amtsvorgängers Alfred Fögen, diesem „Fleisch gewordenen Stück Stadtgeschichte“, der es nach einem Grundstücksskandal seines Vor-Vorgängers und dem Freitod seines Vorgängers geschafft habe, verlorenes Vertrauen in Verwaltung und Politik wieder herzustellen.

Manches Thema hat von seiner Aktualität nichts eingebüßt

So viel sich während der vergangenen fünf Jahrzehnte verändert hat: das Thema Verkehr beschäftigt die Ditzinger bis heute. Und so nutzte Makurath abermals die Anwesenheit von Politikern aus Bund und Land, um für die Südumfahrung Heimerdingen und den Ausbau der Siemensstraße zu werben: „Ich weiß, dass Sie das wissen. Ich wollte es nur nochmals gesagt haben.“

Der Landrat Rainer Haas attestierte Ditzingen, „eine moderne, pulsierende Stadt“ geworden zu sein. Er würdigte dabei vor allem das Wirken der Bürgermeister und Oberbürgermeister. „Wir von der Basis denken manchmal pragmatischer als die Staatschefs, die in nationalen Befindlichkeiten verhaftet sind.“