Der Beschuldigte soll weit mehr als nur fünf Kinder in der Schwieberdinger Kita missbraucht haben. Außerdem machte er Fotos von seinen Taten.

Schwieberdingen - Der wegen sexuellen Missbrauchs an Kindern inhaftierte ehemalige Mitarbeiter einer Kindertagesstätte in Schwieberdingen soll sich wesentlich häufiger an Kindern vergangen haben als ursprünglich angenommen. Das ergibt das vorläufige Ermittlungsergebnis der Staatsanwaltschaft Stuttgart und der Polizei Ludwigsburg. Die Behörden werfen dem 20-Jährigen den sexuellen Missbrauch von Kindern in 13 Fällen, darunter fünf schwere Fälle, sowie die Herstellung von kinderpornografischen Schriften in weiteren sieben Fällen vor. Die insgesamt 16 von den Handlungen betroffenen Kinder waren zum Tatzeitpunkt ein bis drei Jahre alt. Laut den Vorwürfen der Polizei wurde somit jedes fünfte der insgesamt 80 Kinder an der Kita missbraucht. Mitte April gingen die Ermittler noch von lediglich fünf Missbrauchsfällen insgesamt aus.

 

Vor allem die Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen des Mannes habe die höhere Fallzahl ergeben, heißt es bei der Staatsanwaltschaft. Auf Datenträgern, welche die Ermittler in der Wohnung des Beschuldigten beschlagnahmt hatten, fanden die Beamten eine „umfangreiche Sammlung von Bild- und Videoaufzeichnungen mit kinder- und jugendpornografischem Inhalt“ – darunter auch Aufnahmen von Kindern aus der Kita. Durch die Festnahme des Mannes Anfang April und deren Veröffentlichung durch die Polizei haben sich auch weitere betroffene Eltern bei den Behörden gemeldet. Die Polizei und die Träger der Kindertagesstätte hatten die Eltern in einer Veranstaltung über die Vorwürfe informiert.

Unklar ist, über welchen Zeitraum der Missbrauch stattgefunden haben soll

Nach einem Zeugenaufruf wandten sich weitere besorgte Eltern an die Polizei, deren Verdacht sich durch die folgenden Ermittlungen in den jetzt festgestellten Fällen bestätigte. Die Polizei befragte mehr als 30 Zeugen zu den Vorfällen. Laut der Behörde haben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Tatverdächtige auch außerhalb seiner damaligen Ausbildungsstätte vergleichbare Straftaten begangen haben könnte. Im Internet habe der Mann Babysitter-Dienste angeboten, sei jedoch damit erfolglos geblieben.

Nicht nur die Zahl der Vorwürfe ist erschreckend: „Der Schwerpunkt der Taten fand in den Jahren 2016 und 2017 statt“, sagt Heiner Römhild, der Sprecher der Staatsanwaltschaft in Stuttgart. Ob der Betreiber des Kindergartens seine Schutzpflicht verletzt habe, stehe nicht im Fokus der Ermittlungen. Die Kita-Leiterin Julia Uebachs ist „entsetzt“ über das Ausmaß der Vorwürfe. Niemand habe von den Taten etwas mitbekommen, „keiner hat das geahnt“. Der Beschuldigte müsse für seine Taten Zeitpunkte abgepasst haben, an denen er mit den Kindern allein war. Im Kita-Alltag sei er „weder auffällig noch unauffällig“ gewesen. Das Wichtigste sei jetzt, den Kindern Stabilität im Alltag zu geben. Mit dem Elternbeirat werde ein erweitertes Schutzkonzept entwickelt. Bislang seien drei Kinder abgemeldet worden.

Der 20-jährige beschuldigte Erzieher war seit 2015 bis zu seiner Festnahme Auszubildender in der Kindertagesstätte mit dem Namen Piccolo Paradiso, einer privat betriebenen Kita ausschließlich für Kinder von Bosch-Mitarbeitern. Das Unternehmen sitzt in Schwieberdingen auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

„Schockierend und traurig“ nennt der Bosch-Unternehmenssprecher Michael Kattau die neue Dimension der Vorwürfe. Man sei nach wie vor in engem Kontakt zum Kita-Betreiber und biete betroffenen Eltern über die firmeninterne Sozialberatung sowie extern über die Fachberatungsstelle Silberdistel Hilfe an. Die Kooperation mit dem Kita-Betreiber bestehe weiter: „Der Vertrag mit dem Betreiber ist nicht gekündigt“, sagt Kattau.

Der Beschuldigte wurde nicht in anderen Kitas eingesetzt

Die Gemeinde Schwieberdingen legt Wert auf die Feststellung, dass der beschuldigte Mitarbeiter nicht in einer anderen, aber gleichnamigen, Kindertagesstätte in Schwieberdingen eingesetzt wurde, in der auch die Kommune Belegplätze hat.

Seit Anfang April ist der Beschuldigte in Untersuchungshaft. Er wurde fristlos entlassen. Die Ermittler waren ihm auf die Spur gekommen, nachdem sich die Mutter einer heute Dreijährigen an die Polizei gewandt hatte. Das Mädchen hatte sexuelle Handlungen des 20-Jährigen geschildert.

Eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren ist möglich

Noch liegt in dem Fall keine abschließende Entscheidung der Staatsanwaltschaft vor. Der vorläufige Abschluss der Ermittlungen sei jedoch ein „wesentlicher Schritt“ dahin, wie der Sprecher Heiner Römhild sagt. Erst danach kann es zu einer Anklage kommen. Für den sexuellen Missbrauch von Kindern können Täter zu einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren verurteilt werden, auf Missbrauch in besonders schweren Fällen kann eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren verhängt werden.