In der Nacht zum Mittwoch wird am Nordportal eine neue Verkehrszeichenbrücke montiert.

Leonberg - Es ist 2.41 Uhr – auf diesen Augenblick haben alle in dieser Nacht hin gearbeitet. An dem Haken des riesigen Autokranes schwebt langsam die Stahlkonstruktion zum ersten Mal über dem Boden. Doch das ist nur ein Probelauf. Jetzt beginnt im wahrsten Sinne des Wortes die Stunde des Kranführers. Um 3.45 Uhr schrauben die Schlosser die Brücke mit den Verkehrszeichen an ihrem Platz fest.

 

Seit 20 Uhr am Dienstagabend sind die Fachleute vor dem Nordportal des gesperrten Engelbergtunnel zu Gange. Ihre Aufgabe in dieser Nacht ist es, eine 54 Meter lange Brücke mit Verkehrszeichen über die beiden Fahrspuren der A 81 zu montieren. Dafür wird erst eine Spur gesperrt, dann die gesamte Oströhre des Tunnels. Nach 23 Uhr ist auch in der Westöhre kein Durchkommen mehr. Der Lindwurm unendlicher Lastwagenkolonnen donnert unaufhörlich durch Leonberg.

Der Zeitplan ist sportlich

Das Zeitfenster für die Arbeiten ist knapp bemessen. Um 5 Uhr sollen wieder zigtausende Autos und Lastwagen durch die beiden Tunnels fahren. Damit alles pünktlich über die Bühne geht, hatten sich sieben Stunden zuvor zwei Spezialtransporter der österreichischen Firma Mitter mit ihrer ungewöhnlichen Ladung in Waidhofen an der Ypps auf den Weg gemacht. Das Stuttgarter Regierungspräsidium hatte fünf Lastwagen angekündigt, die ebenso viele Teile der ungewöhnlich breiten Brücke ankarren sollten. Doch die Österreicher haben einen Transporter eingesetzt, dessen Fahrer den Auflieger um neun Meter ausfahren konnte, sodass er ein 22 Meter langes und 14 Tonnen schweres Brückensegment laden konnte. Der andere ließ sich sogar auf 33 Meter erweitern, um das andere 22 Tonnen schwere Teil aufladen zu können.

Bevor 2019 über einen Zeitraum von fünf Jahren der Engelbergbasistunnel saniert wird, erneuert das Regierungspräsidium Stuttgart seit Anfang des Jahres die Verkehrstechnik des Tunnels. Ziel ist es, die gesamte Verkehrstechnik inner- und außerhalb des Tunnels auf den aktuellen Stand der Technik zu bringen, um die Röhren noch sicherer zu machen. Die Kosten in Höhe von rund neun Millionen Euro übernimmt das Bundesverkehrsministerium, denn der Baulastträger für Autobahnen ist die Bundesrepublik Deutschland.

Die Rechnung zahlt der Bund

Vorgesehen ist, die vorhandenen Stahlkonstruktionen, die so genannten Verkehrszeichenbrücken, im Tunnel und außerhalb des Tunnels auszutauschen und durch neue zu ergänzen. „Es handelt sich um 24 solcher Brücken außerhalb des Tunnels, im tunnel selbst wurden bereits neun ausgetauscht“, erläutert Wladimir Hahnstein, der im Regierungspräsidium zum Koordinationsteam des Projekts zählt. Alle Verkehrszeichen werden dabei mit LED-Technik ausgestattet. An den Tunnelportalen sind außerdem Schranken vorgesehen, die es bei einem Brand im Tunnel möglich machen, diesen sofort zu sperren.

Doch was ist an dieser Verkehrsbrücke so besonders, dass beide Tunnelröhren gesperrt werden müssen? „Es ist eine Langbrücke, die beide Fahrbahnen überspannt“, erläutert Hahnstein. Deshalb misst sie 54 Meter Länge und wiegt, fertig montiert, mehr als 36 Tonnen. Eine zweite solche Brücke wird auch die Autobahn vor dem Südportal überspannen und die wird sogar noch um einiges länger sein. Geplant ist, sie im November an ihren Platz zu hieven.

Ein 400-Tonnen-Kran

Denn für solche Schwerstarbeit ist ein entsprechender Kran notwendig. Deshalb war auch in der Nacht zum Mittwoch am Nordportal ein 400-Tonnen-Mobilkran von Scholpp am Nordportal vorgefahren. Ihn allein in Position zu bringen, ist zeitaufwendig. Allein zwei Tieflader sind notwendig, um die Gegengewichte heranzukarren um das Monster zu stabilisieren. „Es braucht einen so leistungsfähigen Kran, weil der Platz eng ist und der Ausleger weit herausgefahren werden muss“, erläutert der Fachmann vom Regierungspräsidium.

„Die von Scholpp haben noch größere Kräne, einen für 500 und einen für 700 Tonnen“, weiß ein Zaungast, der sich am Rande der Baustelle schaulustig die Nacht um die Ohren schlägt.

Ohne den Kran läuft zwar nichts, doch die Helden der Nacht sind die sieben Schlosser, der Elektriker und die zwei Baufacharbeiter der Firma Grimm aus Losheim im saarländischen Landkreis Merzig. Sie haben im Vorfeld bereits die beiden Stützen für die Verkehrszeichenbrücke errichtet. Nun sollen sie die beiden Segmente montieren, damit die Brücke an ihren Platz gehievt werden kann.

Der Chef packt selbst mit an

Der Chef der 65-Mann-Firma, die sich bundesweit auf die Montage solcher Verkehrszeichenbrücken spezialisiert hat, hat es sich nicht nehmen lassen, diesen etwas ausgefallenen Einsatz selbst zu leiten. „Solche Kolosse zu montieren, ist auch für uns nicht alltäglich“, sagt Christoph Grimm, der in zweiter Generation, das vor 32 Jahren von seinem Vater gegründete Familienunternehmen leitet.

Bei dem Team, das sich auf die kurz vor 22 Uhr gefallenen Regentropfen als Abkühlung freut, sitzt jeder Handgriff. Auf die Betonpfeiler werden als erste zwei extra große H-förmige Stahlgebilde montiert. „Die heißen Stile, auf denen wird die Brücke festgeschraubt“, erläutert einer der Schlosser. Dann hebt der Kran die beiden Teile von den Tieflader und das Grimm-Team beginnt, sie zusammenzuschrauben. Das ist zum einen Schwerst- und zu andere Millimeterarbeit.

Muskelschmalz ist gefragt

48 so genannte hochfest vorgespannte Schrauben (HV), die im Stahlbau für besondere Festigkeit sorgen, müssen fachgerecht montiert werden. Da ist Muskelschmalz gefragt, denn der Drehmoment-Schlüssel ist riesig. Bei den Schrauben ist ein festgelegter Drehmoment vorgegeben, der dann noch zusätzlich kontrolliert mit einem Spezialgerät erreicht wird.</p>

Wer also glaubt, um kurz einmal 48 Schrauben zu montieren, reichen Minuten, der liegt falsch. Denn alles geschieht unter den wachsamen Augen der Bauüberwachung. Das Regierungspräsidium hat das Büro VT-Ingenieure aus dem badischen Ketsch damit beauftragt. „Wir überprüfen alle drei Jahre die Verkehrszeichenbrücken auf den Autobahnen und alle sechs Jahre unterziehen wir sie einer Hauptprüfung, denn die müssen erheblichen Windlasten standhalten“, erklärt Bauingenieur Steffen Weiler.

Blechlawine in Leonberg

Doch in dieser Nacht gibt es nichts zu bemängeln und um 2.40 Uhr sitzen alle Schrauben. Der Koloss schwebt am Kranhaken auf seinen Platz, wo er ebenfalls mit HV-Schrauben befestigt wird. Während für das Grimm-Team langsam Feierabend ist, beginnt nun die Mannschaft von Scholpp, den Kran wieder abzumontieren. Durch Leonberg donnern derweilen die Lastwagen, die sonst den Tunnel nutzen würden. Um fünf Uhr, wie eigentlich geplant, sind noch nicht beide Röhren wieder offen.

Für die Stadt ist es ein Vorgeschmack darauf, wie es in den fünf Jahren der Tunnelsanierung, wohl öfters zugehen wird, wenn der Verkehr auf der Baustelle stockt. Doch auch dagegen sollen die neue Brücke und die darauf montierte Verkehrstechnik helfen. Denn sie ist mit der Anlage verknüpft, die den Verkehrsfluss auf der A 8 und A 81 beeinflusst. Damit soll künftig schneller und besser auf unterschiedliche Verkehrssituationen reagiert werden. Die neue Verkehrstechnik auf der Brücke ist zudem so geplant, dass mit ihr während der geplanten Sanierung des Engelbergbasistunnels die Verkehrsführung je nach Bedarf gesteuert werden kann.

Wer die Blechlawine in dieser Nacht in Leonberg erlebt hat, kann nur hoffen, dass die neue Technik in Zukunft diesen Anforderung nachkommt.