Der bundesweit Aufmerksamkeit erregende Zwischenbericht zur Aufarbeitung der Vorfälle bei den Domspatzen setzt Impulse für die anstehende Untersuchung des Geschehens in den Heimen der evangelischen Brüdergemeinde.

Korntal-Münchingen - Regensburg ist Hunderte Kilometer von Korntal entfernt, und doch strahlt die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals bei den Regensburger Domspatzen auch ins Strohgäu aus. „Es ist gut, nach Regensburg zu schauen“, sagt etwa der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig.

 

Vor wenigen Tagen hat dort das aus Kirchen- und Opfervertretern bestehende Aufarbeitungsgremium ein Konzept vorgestellt, wie den Opfern von sexueller und körperlicher Gewalt in Regensburg geholfen werden kann. „Es ist sehr wichtig, dass man Antworten gibt und dadurch Verantwortung formuliert wird“, sagt Rörig über die Transparenz, die mit dem Zwischenbericht in den Aufarbeitungsprozess gebracht wurde. Rörig bezeichnete das Konzept bundesweit als „Meilenstein der Aufarbeitung“. Er würdigte zudem den gegenseitigen Respekt der Beteiligten.

Just daran mangelt es in Korntal nach wie vor. Die Vertreter der beiden Opfergruppen und der Brüdergemeinde sind derzeit eher voneinander genervt. Detlev Zander, ein Korntaler Opfer, hatte die Vorfälle vor zwei Jahren öffentlich gemacht und steht dem Netzwerk Betroffenenforum vor. Er wirft anderen ehemaligen Heimkindern vor, ihm schaden zu wollen. Diese, in der Regel die Vertreter der zweiten Opfergruppe, der Arbeitsgemeinschaft (AG) Heimopfer, halten ihm dagegen vor, sich profilieren zu wollen.

Sie alle aber eint, was sie als Kinder- und Jugendliche erlitten haben. Sie wurden zwischen 1950 und 1970 Opfer von psychischer und physischer Gewalt bis hin zu sexuellem Missbrauch in den beiden Kinderheimen der evangelischen Brüdergemeinde in Korntal. Nach monatelangem Streit sitzen sie sowie die Brüdergemeinde nun mit zwei Mediatoren an einem Tisch.

Ein erstes Treffen fand statt, das zweite soll Ende des Monats folgen. „Das Treffen war relativ friedlich und konstruktiv“ sagt etwa Wolfgang Schulz von der AG Heimopfer; Detlev Zander spricht aber auch von „hitzigen Diskussionen“. Beide äußern sich verhalten optimistisch über einen gemeinsamen Neustart.

Verhaltener Optimismus bei den Betroffenen

Der erste Versuch einer Aufarbeitung unter der Leitung der Wissenschaftlerin Mechthild Wolff war gescheitert. Ihr war auch eine zu große Nähe zur Kirche vorgeworfen worden. „Wir werden keinen Menschen der Kirche akzeptieren“, sagt deshalb Schulz über den künftigen Aufklärer. Wolff hatte zudem die wissenschaftliche Untersuchung in den Mittelpunkt gerückt, während die Betroffenen zunächst aufklären wollten. So soll es nun kommen. Wer dieser Aufklärer sein wird, ist aber weiterhin unklar. Vorschläge gibt es. Allerdings wurde Stillschweigen darüber vereinbart. Dass Detlev Zander und seine Mitstreiter erneut Ulrich Weber vorgeschlagen haben, den Aufklärer bei den Regensburger Domspatzen, ist kein Geheimnis. Der Anwalt signalisiert zwar weiterhin grundsätzliche Bereitschaft, gibt sich aber zurückhaltend. „Die Geschehnisse in Korntal müssen aufgeklärt werden, letztlich geht es nicht darum, wer es macht, sondern dass es gemacht wird.“ Aufarbeitungsprozesse ließen sich zudem nicht vergleichen, sagt er , auch wenn die Vorwürfe in dieselbe Richtung zielten. Die Regensburger Opfer erhalten als Anerkennung Beträge zwischen 5000 und 20 000 Euro. Solche Summen sind in Korntal nicht im Gespräch, zur Verärgerung der Betroffenen. Die Brüdergemeinde will maximal bis zu 5000 Euro zu bezahlen. Die Pietisten lehnen sich damit an das Verfahren der Landeskirche Württemberg an. Dort gibt es 5000 Euro für Betroffene, die von einer Kommission anerkannt wurden. Die Korntaler können davon nicht profitieren. Die Landeskirche hatte der Brüdergemeinde laut deren Sprecher beschieden, dies selbst organisieren zu müssen: Die Pietisten seien nicht Mitglied der Landeskirche, sondern kooperierten nur mit ihr.

Regensburg zahlt hohe Anerkennungen